„Der Mord wird vermutlich nie aufgeklärt“

Gertrude E. ertrank im Werkskanal der VKW unweit einer beliebten Wanderroute an der Bregenzerach.
Bregenz Gertrude E. lebt nicht mehr. Sie verstarb an einem Mittwoch im Jahr 1978. Der Tag an dem die Prostituierte aus Bregenz ermordet wurde, jährt sich heuer zum 45sten Mal. Es war am 16. August, als der Nachtportier in der Morgendämmerung, gegen fünf Uhr früh, die Leiche im Werkskanal der VKW entdeckte. Ihr nackter Körper hatte sich im Einlaufrechen des Kraftwerks Rieden verfangen. Noch am selben Tag übernahm die Abteilung Leib/Leben beim Gendarmeriekommando Vorarlberg den Fall. „Karl Gantner war damals der Leiter, ich sein Assistent“, erzählt Hans Poiger und zeigt auf das Gebäude der Betriebsfeuerwehr und das kleine Wäldchen in Richtung Bregenzerach. „Hier war damals nur Wald.“
Spurenlage
Besonders tragisch an diesem Fall ist, dass Gertrude E. noch lebte als sie über das Geländer gehievt und ins Wasser geworfen wurde. Die Obduktion bestätigte den Tod durch Ertrinken. Der Täter, der die damals 30-Jährige ermordete, konnte bis heute nicht ermittelt werden. Zu den Akten gelegt, ist der Fall ein so genannter Cold Case. „Um den Fall doch noch zu lösen, ist die Spurenlage ausschlaggebend und die war damals schon sehr dünn“, erinnert sich der Kriminalist. Zumal auch nichts vorliegt, um die DNA des Täters zu ermitteln. „Der Mord wird wahrscheinlich nie aufgeklärt werden.“
Tatort Vorkloster
Rekonstruiert werden konnten ihre letzten Stunden. Gertrude E. arbeitete als Tellerwäscherin in der Weinstube Eulenspiegel und verdiente sich nach Feierabend ein Zubrot auf dem Straßenstrich. In der Nacht ihrer Ermordung sah man sie um zwei Uhr noch an ihrem üblichen Standplatz in der Quellenstraße am Vorplatz „Metzgerverband“. Auch ihren roten VW-Käfer hatte sie dort geparkt. Den Autoschlüssel und die Handtasche mit Bargeld fanden die Beamten nur eineinhalb Meter entfernt.
Zuhälterkrieg
Dass Gertrude E. dort vermutlich um circa halb drei Uhr niedergeschlagen wurde, konnte anhand von Zeugenaussagen ermittelt werden. „Sie berichteten uns, Hilferufe gehört zu haben.“ Außerdem sei ein dunkler „Zuhälterschlitten“ gesehen worden, der mit hoher Geschwindigkeit auf die Bahnhofstraße und dann Richtung Vorkloster raste. Weiters ergaben die Ermittlungen, dass sich Gertrude E. als freie Dirne prostituierte, also ohne Zuhälter. Zu dieser Zeit herrschten blutige Revierkämpfe. „Wir vermuten, dass sie zum Mordopfer wurde, weil sie sich weigerte, Standgeld an Zuhälter zu bezahlen“, mutmaßt Poiger. Nur drei Tage zuvor sei der Zuhälter Josef St. erschossen worden.
Faszinierendes Naturdenkmal
Trotz der dichteren Verbauung auf dem VKW-Gelände, ist es am Werkskanal ziemlich ruhig. Ein paar Mitglieder der Betriebsfeuerwehr gehen ein und aus. Wer den Zehenderweg weiter in südlicher Richtung geht, steht vor der Bregenzerach. Eine beliebte Route für Spaziergänger führt dem Flusslauf entlang in Richtung Eisenbahnbrücke Bregenz. Kurz davor befindet sich die Sandplatte, ein geschütztes Naturdenkmal. Bei dieser freigelegten Felsschwelle handelt es sich um das Überbleibsel eines zu Stein gewordenen Sandstrandes. Die Wellen haben vor mehr als 20 Millionen Jahren Sandribbeln hinterlassen, die heute die Faszination dieses ganz besonderen Ortes ausmachen. Und doch ist nur unweit entfernt einer jungen Frau das Leben genommen worden. CRO
„Um den Fall doch noch zu lösen, ist die Spurenlage ausschlaggebend und die war damals schon sehr dünn.“



Das Böse war meine Kundschaft, Franz Kabelka & Hans Poiger, Bucher Verlag, 160 Seiten