Ländle-Korruption
Nur Bruchstücke sind bislang vom Siemens-Korruptionsskandal, der Vorarlberg seit einem Monat erschüttert, bekannt.
Der Konzern Siemens, der nach dem Hinweis eines Whistleblowers seine internen Kontrollsysteme angeschmissen und dann die Behörden informiert hat, erzielte gleich zu Beginn einen Etappensieg in der öffentlichen Wahrnehmung: Die Krisen-PR-Fachleute haben es geschafft, die Affäre zunächst der lokalen Krankenhausbetriebsgesellschaft umzuhängen. Jeder sprach vom KHBG-Skandal.
Erst Tage nach der Erstmeldung konnte erahnt werden: Die Vorarlberger Krankenhäuser sind eine der geschädigten Firmen. Mindestens mehrere Vorarlberger Paradeunternehmen kommen dazu – vermutlich auch öffentliche Projekte der Stadt Bregenz, in Berichten wird auch die Alpenländische Wohnungsbaugesellschaft erwähnt. Im gemeinnützigen, sozialen Wohnbau, beim Hallenbad, dem Festspielhaus und auch dem Anfangsfall rund um die Krankenhäuser geht es um Steuergeld, unser aller Geld. Diese Handlungsstränge sind weder ausermittelt noch auserzählt.
Das, was öffentlich bekannt ist, ist noch weniger, als das, was die Ermittler im Auftrag der Staatsanwaltschaft bisher zusammengetragen haben. Auch die schmutzigen Details der Korruptionsaffäre sind noch weitgehend unbekannt, werden erst ihren Weg an die Öffentlichkeit finden: Zwielichtige Geldübergaben, spektakuläre Verhaftungen.
Eilig eingereichte Selbstanzeigen, nachgebesserte Rückzahlungen, allesamt nach Auffliegen des Korruptionsnetzwerks eingereicht, sollen Reue signalisieren und Strafmilderung bringen. Ein frommer Wunsch der Tatverdächtigen in Panik!
Doch geht es nur um lukrative Aufträge für Siemens und Verkaufsprovisionen, um überhöhte Handwerker-Rechnungen und persönliche Bereicherung – oder hat der Skandal die Kraft, weitere Teile der heimischen Bauwirtschaft zu erschüttern? Ein Schelm, wer an die Auftragsvergaben insgesamt denkt und nicht nur an die Siemens-Gebäudetechniksparte Smart Infrastructure.
Willi Muzyczyn, ehemaliger Stadtrat der Bregenzer SPÖ, gab zu, ein iPhone als Geschenk von Siemens angenommen zu haben („wie andere Mitarbeiter der Alpenländischen auch“). Auch Vereine könnten eine Rolle spielen: Als Ex-Präsident fiel Muzyczyn schon beim Fußball-Amateurverein Victoria Bregenz mit seltsamen Rechnungen auf. VN-Recherchen zufolge musste man auch beim Tennisclub TC Bregenz, wo Muzyczyn früher Präsident war, nach seiner Amtsführung bezüglich seines Spesenkontos aufräumen: Einladungen beim Gildenball, dauerhafte Gratisgetränke im Tennis-Clubheim für den Präsidenten selbst. Muzyczyn, der alle Korruptionsvorwürfe bestreitet („Blödsinn!”), saß als früherer Geschäftsführer der Alpenländischen und bis zuletzt als Vizepräsident der Festspiele an einflussreichen Positionen.
Die Stadt Bregenz steht ebenso wie die Krankenhäuser und die geschädigten Firmen vor einem großen Problem: Wonach sollen sie nun exakt suchen in ihren Buchhaltungsbelegen? Wie erkennen sie, ob sie in den vergangenen zehn Jahren vom Ländle-Korruptions-Netzwerk betrogen wurden?
Allein der entstandene Schaden könnte schnell die 5-Millionen-Grenze überschreiten: Spätestens dann ist das Ländle-Korruptionsnetzwerk ein Fall für die Korruptionsermittler der WKSta, bisher laufen die Fäden bei der Feldkircher Staatsanwaltschaft zusammen.
Fortsetzung folgt.
Gerold Riedmann
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Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.
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