Turbo-Rollator für Wald und Berge

Vorarlberg / 14.09.2023 • 19:12 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Gerhart Wissel mit seinem E-Hiker: Die großen Räder mit Geländeprofil helfen Hindernisse zu überwinden. DPA/Kästle
Gerhart Wissel mit seinem E-Hiker: Die großen Räder mit Geländeprofil helfen Hindernisse zu überwinden. DPA/Kästle

92-jähriger Rentner vom Bodensee erfindet geländetaugliche Elektro-Wanderhilfe.

Überlingen Dem Alter ausgeliefert nur zu Hause sitzen und Kreuzworträtsel lösen? „Nein danke“, sagt Gerhart Wissel. Der 92-Jährige will lieber in den Wald und in die Berge. Vor wenigen Jahren noch konnte er das mit dem Mountainbike. Doch nach einem Radunfall ist er auf einen Rollator angewiesen. Weil die meisten Rollatoren aber für die Straße gemacht sind, macht sich der Rentner aus Überlingen selbst an einen Entwurf.

„Alpin-E-Hiker“

Drei Jahre hat er getüftelt, gerechnet und schließlich eine Art Wanderhilfe mit Elektroantrieb erfunden. „Es musste eine Kombination zwischen Mountainbike und Rollator sein“, sagt der Ingenieur. Heute ist er mit seinem „E-Hiker“ jenseits der Straßen unterwegs – einem stabilen Rollator mit allerlei speziellen Details. Besonders die großen Räder mit Geländeprofil fallen auf. Sie würden dabei helfen, Hindernisse zu überwinden und Treppen zu steigen, schildert Wissel. Der Elektroantrieb ziehe ihn die Berge hinauf, eine leistungsfähige Bremse sei für den Abstieg nötig. „Man will ja wieder heil vom Berg runter“, scherzt der 92-Jährige.

Rund 400 Stunden lang habe er seinen Turbo-Rollator selbst getestet. Um die Arme besser entlasten zu können, habe er verstellbare Handgriffe entwickelt. Zum Zubehör gehöre auch eine Schneekette. Der Rollator sei zusammenklappbar und passe in den Kofferraum.

Sein Umfeld habe zunächst skeptisch auf die Erfindung reagiert, sagt Wissel. „So wie das immer bei Erfindungen ist – zuerst wird man freundlich angelächelt, aber oft als Spinner angesehen.“ Mittlerweile seien die Leute überzeugt. Seine Idee umgesetzt habe eine kleine Fahrrad-Firma.

Vollbluttechniker

Hinter der Erfindung steckt viel Leidenschaft und technisches Know-how. Gerhart Wissel: „Ich bin Vollbluttechniker, ich habe früher schon als kleiner Lehrling angefangen, Sachen zu konstruieren.“ Vor 65 Jahren habe er den ersten Allrad-Schaufellader für einen Bau- und Landmaschinenhersteller erfunden. Eine Miniaturversion davon hebt Wissel in seinem Arbeitszimmer auf.

Doch es sei nicht nur die Liebe an der Arbeit gewesen, die ihn zu der Erfindung getrieben habe. „Es war eine Notwendigkeit“, sagt der 92-jährige Rentner. „Ich will das Leben noch genießen, dabei sein und draußen im Wald oder in den Bergen meine Zeit verbringen.“

Eine gesunde Einstellung, sagt auch die Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Ältere Menschen mobil zu halten, sei auch ein wichtiges Ziel der Altersmedizin, erklärt DGG-Präsident Rainer Wirth. „Ein Rollator ist für viele ältere Menschen mit Mobilitätsproblemen ein echter Segen.“ Der Verkaufspreis für Wissels Turbo-Rollator liegt wegen der aufwendigen Produktion und der hochwertigen Teile bei rund 5000 Euro, wie der Erfinder erklärt. Zunächst bringe er zehn Modelle auf den Markt. Drei Bestellungen habe er schon. Die Nachfrage sei da, sagt der 92-Jährige. „Es gibt also noch viele so Verrückte wie mich.“ DPA

„Es musste eine Kombination zwischen Mountainbike und Rollator sein“