Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Dieser Zug fällt leider aus

Vorarlberg / 18.09.2023 • 19:53 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Letzte Woche war ich mit meinem neuen Buch in Berlin. Ich fuhr mit dem Zug. Deutsche Bahn, Risiko, weiß ich eh, seit ich auf meiner letzten Lesereise 14.000 Kilometer mit dem Zug gefahren bin. Ich dachte: Planankunft in Berlin 15.30 Uhr, Veranstaltungsbeginn 19.30 Uhr, das geht sich aus.

Tat es auch, alles funktionierte tadellos, jetzt bis auf die meisten WCs zwischen Wien und Nürnberg.

Das machte mir Hoffnung für die Rückfahrt. Es gab einen direkten Zug, Abfahrt 10.04 Uhr, Ankunft 17.47 Uhr, bloß gab es schon zwei Wochen vor der Abreise keine Plätze in der – danke, lieber Verlag – 1. Klasse mehr, ich buchte einen in der zweiten. Am Tag vor der Abreise erwischte ich doch noch einen in der 1. Klasse: Wagen 28, Platz 26, mein angeschlagener Rücken sagte Danke.

Plan also: gemütlich im Hotel frühstücken, mit der U-Bahn zum Bahnhof fahren. Um halb sieben war ich wach, schaute schlaftrunken in meine Mails und fand eine Reiseinfo der ÖBB von 6.05 Uhr: „Dieser Zug fällt leider aus.“

Bitte nicht. Ich schaute auf Scotty nach anderen Zügen, fand einen, der eine halbe Stunde früher losfuhr, umsteigen in Nürnberg, reservierte mir einen Platz, und bekam um 7.32 Uhr eine neue Reiseinfo: „Verbindung nicht mehr unterbrochen.“ Super, ich blieb noch ein bisschen liegen bis um 7.49 Uhr die Nachricht aufploppte: „Dieser Zug fällt leider aus.“ Ich ging unter die Dusche. 7.56 Uhr „Verbindung nicht mehr unterbrochen“. Beim ersten Kaffee: „Dieser Zug fällt leider aus“. Beim Rührei: „Verbindung nicht mehr unterbrochen“, beim Marmelade-Croissant: „Dieser Zug fällt leider aus.“

Ich fuhr dann zum Bahnhof. Bis zehn Uhr schickte mir die ÖBB 23 solcher Reiseinfos, also insgesamt 69 Mails, immer je eine fürs Ticket und für die Reservierungen. Ich würde das nicht mehr als Information bezeichnen, eher als Belästigung.

Aber der Zug fuhr pünktlich ein, fantastisch. Er war völlig überfüllt, aber mir egal, ich hatte ja meinen Platz reserviert, und als ich ihn einnehmen wollte, fand ich den Wagen 28 gesperrt aus technischen Gründen. Wie alle anderen darin Eingebuchten stand ich ratlos mit meinem Gepäck im Weg herum. Dann erinnerte ich mich an meine Reservierung in der zweiten Klasse, und während ich mich durch sieben Waggone zu meinem Platz kämpfte, wurden die restlichen Reisenden aus dem Wagen 28 aufgefordert, den Zug zu verlassen und ihr Glück in einem anderen zu versuchen, denn in diesem war kein Platz mehr für sie. Ich aber fand meinen und kam achteinhalb Stunden später glücklich mit bloß 30 Minuten Verspätung und nur zart schmerzendem Rücken in Wien an. Ich habe noch 27 Lesungen vor mir; das wird lustig.

„Plan also: gemütlich im Hotel frühstücken, mit der U-Bahn zum Bahnhof fahren. Um halb sieben war ich wach.“

Doris Knecht

doris.knecht@vn.at

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.