„Eine Einbahnstraße kann nicht funktionieren“

Vorarlberg / 18.09.2023 • 20:20 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Wallner sieht das „Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht“.APA
Wallner sieht das „Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht“.APA

Ein Gespräch nach der Landeshauptleutekonferenz in Wien.

Drohen die Finanzausgleichsverhandlungen zu platzen?

WALLNER Nein, das glaube ich nicht. Es war jetzt ein gutes Gespräch mit gutem Fortschritt. Wir sind im Sommer bei einem ungefähren Plus von 470 Millionen Euro gestartet. Jetzt stehen wir bei 2,3 Milliarden „frischem Geld“. Das ist eine spürbare Bewegung beim Bund. Aber ja, das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht, der „weiße Rauch“ ist noch nicht aufgestiegen. Vor allem muss man noch genau klären, wie dieses Angebot vom Bund betreffend den Zukunftsfonds im Detail aussieht, weil wir nicht zu Bittstellern degradiert werden wollen, sondern einen Fonds auf Augenhöhe verlangen. Das ist machbar, wenn man will, aber es sind ein paar Hürden im Weg. Die muss man systematisch wegräumen.

 

Der Bund verändert seine Angebote erst schrittweise. Sind die Länder nicht dadurch schon Bittsteller?

WALLNER Es geht im Kern ja nicht darum, wer jetzt mehr Mittel bekommt. Es geht darum, dass für die Bevölkerung entscheidende Bereiche entsprechend abgegolten werden. Das sind Bereiche, in denen die Ausgaben sehr stark zunehmen, für ausreichend gute Kinderbetreuungsangebote, eine gute Versorgung bei den Spitälern und eine gute Pflegeversorgung. Ich habe den Eindruck, dass das auch langsam – nach einer ersten Schockstarre – beim Bund durchsickert ist und sich dadurch die Angebote verbessern. Am Ende ist es eigentlich eine Frage von einem Schulterschluss. Bund, Länder und Gemeinden müssen die Bereiche für die Bevölkerung absichern. Vor allem bei dem Angebot des Zukunftsfonds war heute auch bei den Landeshauptleuten spürbares Misstrauen da, weil man mit zentralbürokratischen Instrumenten oft die Erfahrungen gemacht hat, dass Geld nie ankommt. Es kann ein Zukunftsfonds gemacht werden, aber nur einvernehmlich.

 

Wie können die Zielsetzungen im Zukunftsfonds ausschauen? Soll die der Bund für alle Länder vorgeben?

WALLNER Geht es in eine solche Richtung, sind die Verhandlungen schnell wieder beendet. Ich glaube, das wäre die falsche Richtung. Man hat sich darauf verständigt, dass man einen gemeinsamen Fonds mit gemeinsamer Dotierung macht. Der Bund gibt eine Milliarde Euro dort hinein. Für die Zielsetzung braucht es aber das Einvernehmen mit den Ländern: Wie wird der Ausbau der Kinderbetreuung am Ende der Finanzausgleichsperiode bewertet, wie weit ist man gekommen, wie wird das kontrolliert? Wenn das eine Einbahnstraße wäre, kann es nicht funktionieren, das muss ein gemeinsamer Weg sein.

 

Für den Zukunftsfonds scheinen noch nicht einmal alle Informationen auf dem Tisch zu liegen. Gehen die Verhandlungen in Wahrheit nicht zu langsam voran?

WALLNER Wir haben ausreichend Zeit, aber bis Ende des Jahres muss das geregelt sein. Und es wäre jetzt tatsächlich dringend, dass man vorwärtskommt, weil es ja noch eine Beschlussfassung im Parlament braucht. Man kann einen Zukunftsfonds gründen, aber es war schon spürbar, dass da noch Ecken und Kanten fehlen.

 

Sind im Finanzausgleich Veränderungen in der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern Thema?

WALLNER Wir sind hauptsächlich darauf bedacht, dass wir im Rahmen der bestehenden Kompetenzverteilung ausreichende Finanzierung bekommen. Wir haben das unterlegt durch eine WIFO-Studie, die eindeutig zeigt, dass die Kostendynamik bei den Ländern zunimmt. Der Bund hat auch ein paar Bereiche, die dynamisch sind, etwa die Pensionen oder die Sicherheit und Landesverteidigung – hier gibt es wachsende Bundesausgaben. Die Länder betrifft es aber wegen der Demografie im Bereich der Pflege und Gesundheit sowie bei der Kinderbetreuung aufgrund der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und wenn man nicht möchte, dass Standards hier zurückgehen, muss man das ausreichend finanzieren. Über die Kompetenzverteilung wurde nicht geredet, dafür ist der Finanzausgleich kein gutes Instrument. Vielmehr sollte das, was jetzt an Kompetenzen da ist, ausreichend abgesichert und finanziert werden.

 

Kam die Abschaffung der Kalten Progression zum falschen Zeitpunkt, weil es budgetäre Spielräume nimmt?

WALLNER Nein. Das haben wir immer selbst gefordert, es gibt auch einen einstimmigen Beschluss der Landeshauptleute dazu. Die Folgen davon hat man einfach zu tragen. Es werden auch Einsparungen notwendig sein, das ist logisch. Aber für die Bürgerinnen und Bürger war es in Zeiten der Teuerung ein Gebot der Stunde. VN-WEM