Eine Ersatzmutter mit Freiheitsdrang

Ilse Laufer (75) stellte sich mit Bravour den Aufgaben, die das Leben ihr zuwies.
Gaißau Die Freiheit ging ihr immer über alles. Deshalb hat Ilse Laufer (75) auch nie geheiratet und auch keine Kinder bekommen. Ihre drei Jahre jüngere Schwester Margaretha, die mit ihr über viele Jahre das Heim bzw. Haus teilte, war mindestens genauso freiheitsliebend wie sie. Auch sie hegte nicht den Wunsch nach einer eigenen Familie.
Aber das Leben hatte mit ihnen etwas anderes im Sinn. Es machte beide Frauen zu Ersatzmüttern. Und das kam so: Im November 2001 starb Monika, die Schwester von Ilse und Margaretha, an Krebs. Die geschiedene Alleinerzieherin wurde nur 43 Jahre alt. Monika hinterließ vier Kinder: Mathias (9), Lisi (10), Ricki (12) und Julia (24). Die zwei Tanten hatten eine starke Bindung zu den Kindern, weil sie mit ihnen von klein auf Ausflüge gemacht haben. „Ich bin von jedem Kind die Taufpatin. Als Gote war es mir wichtig, dass ich ihnen Zeit schenke“, so Ilse.
“Ilse, wir schaffen das”
Nach Monikas Tod war schnell klar, „dass wir die jüngeren Kinder zu uns nehmen. Wir hatten ja genug Platz in unserem Haus.” Die weitreichende Entscheidung wurde spontan aus dem Herzen heraus getroffen: „Margaretha sagte zu mir: ,Ilse, wir nehmen die drei zu uns. Das schaffen wir.‘ Ich nickte und war sofort einverstanden.“
Ilse, die Schneidermeisterin, die an der HTL Dornbirn mit Begeisterung Schnittkonstruktion und Textilwerkstätte unterrichtete und als Lehrerin ihre Berufung gefunden hatte, reduzierte daraufhin ihre Lehrverpflichtung. „Ich gab ein paar Schulstunden ab, damit ich mich besser um die Kinder kümmern konnte.“ Die Ersatzmütter unternahmen viel mit ihnen. „Wir sind oft wandern und baden gegangen.“ Aber es gab auch schwierige Momente mit den Kindern. „Es war nicht immer einfach. Aber letztlich haben wir alles geschafft, was anfiel.“

Die Rolle der Ersatzmutter hielt sie lange jung und beweglich. Das kam Ilse zugute, als ihre Mutter nach einem Schlaganfall gebrechlich wurde. „Ich fuhr oft zu ihr und habe mit ihr Zeit verbracht.“ Als ihre Mama pflegebedürftig wurde, zog sie kurzerhand bei ihr ein und pflegte sie bis zum Tod. Ilse ging in dieser Aufgabe voll auf. „Es war eine sinnerfüllende Aufgabe. Sie fiel mir zu und ich nahm sie gerne an.“ Es freute sie, dass sie ihrer Mutter etwas zurückgeben konnte. „Mama erzählte uns Kindern gerne Märchen am Küchentisch. Das regte meine Fantasie an. Überhaupt hatten wir es daheim schön. Ich habe gute Erinnerungen an meine Kindheit.“
Als sich der Gesundheitszustand ihrer chronisch kranken Schwester Margaretha verschlechterte, war Ilse erneut gefordert. Sie erledigte für ihre Schwester die Einkäufe und unterstützte sie auch sonst im Alltag. Inzwischen lebt Margaretha aber in einem Pflegeheim. Ilse teilt sich nun das Haus mit einem Großneffen und dessen Familie. Die 75-Jährige ist nicht einsam, aber sie würde sich mehr Gesprächspartner wünschen, die mit ihr über Gott und die Welt reden und hin und wieder Ausflüge mit ihr machen. Wie so viele ältere Menschen hat auch Ilse schon einige Freunde und ehemalige Arbeitskollegen durch Tod verloren.