Monika Helfer

Kommentar

Monika Helfer

Fünf Wege eine Familie zu gründen (1)

Vorarlberg / 19.09.2023 • 18:14 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Ein Mann um die vierzig war Gast in einem Hotel, das von einer polnischen Familie geführt wurde. Er arbeitete zu viel. Er hatte Sehnsucht nach einer unbestimmten Frau. Er beobachtete die Hotelbesitzerin. Ihm gefiel ihre Stimme mit den harten Konsonanten und der Turban, zu dem sie ihr Haar aufgebunden hatte. Ob sie eine Richtige sein könnte? Ehemann gab es keinen.

Er sah nicht aus wie ein Steuerberater, war aber einer. Beides könnte, dacht er, die Erfüllung seiner Wünsche beschleunigen. Hier wurde so einer gebraucht.

Er gab sich Antwort: Die Besitzerin ist nicht die Richtige. Aber die Tochter könnte es sein. Er schätzte sie auf neunzehn. Er war vierzig. Das geht gerade noch, sagte er sich. Seine Wahl fiel auf sie.

Die Tochter stolperte mit dem Tablett an seinen Tisch, fast wäre sie hingeschlagen, seine Tasche lag im Weg, und als er zu ihr sagte, er habe gehört, dass sie Amalia heiße, sein Name sei Christoph, sie dürfe du zu ihm sagen, war das eindeutig zu früh. Und zu hastig gesprochen. Amalia drehte sich um und ging davon. Er beugte sich über die Rindssuppe und dachte, ich muss in mich gehen.

Dreimal stieg er in diesem Hotel ab und bekam keine Sonderbehandlung, obwohl er großzügig war. Der Hotelbesitzerin brachte er Margeriten mit und für Amalia Konfekt.

„Warum bringen Sie mir Margeriten“, fragte die Hotelbesitzerin. „Bezwecken Sie etwas?“

Er bat sie um ein Gespräch. Amalia könnte die ideale Frau für ihn sein. Ob er sich Chancen ausrechnen dürfe.

Die Frau wusste von seinem Beruf, und es schien ihr eher günstig, nicht nein zu sagen. Amalia wurde gerufen. Es war ihr gar nicht recht, so dazustehen in ihrer schwarzen Strumpfhose und dem weißen Leibchen, weggeholt aus der Freizeit von ihrem Kanapee.

Sie sagte: „Von mir aus.“

Sie erledigte weiter die Arbeit im Hotel, sang zu volkstümlicher Schlagermusik und häkelte aus bunter Wolle weiche Tiere, die sie auf das Sims stellte, so dass man sie von draußen bewundern konnte. Die Aussicht, nicht mehr die Befehle der Mutter ausführen zu müssen, keine Hotelböden mehr zu wischen, genügte.

Amalia war nie verwöhnt worden, die Zartheit ihres Mannes mochte sie gern und überraschte sie immer wieder.

„Ich kann mich nicht daran gewöhnen“, sagte sie.

Ob das gut sei oder schlecht, fragte er.

„Das weiß ich noch nicht.“

Er sagte, sie sei seine Königin. Ob ihr gefalle, wenn er so etwas sage? Eine Königin könne immerhin tun, was ihr gefalle.

„Dann will ich nichts tun“, sagte Amalia.

Ihrer Mutter passte das nicht. Von jedem in diesem Haus werde Mitarbeit gefordert. Als Amalia schwanger wurde, wollte ihr Mann auch nichts mehr tun. Seine Frau brauche seine Pflege.

Als das Kind zur Welt kam, zog die Familie in einen entlegenen Neubau, und jeden frischen Tag wiegten sie glücklich ihr Bübchen. Es gab ein zweites, dann ein drittes. Alles Buben.

Es war, als könnte kein Fünkchen diese Familie verbrennen. Die Wahl des Mannes war eindeutig die richtige gewesen.

„Er beugte sich über die Rindssuppe und dachte, ich muss in mich gehen.“

Monika Helfer

monika.helfer@vn.at

Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.