Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Halbtransparent

Vorarlberg / 19.09.2023 • 21:06 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

87 von 2093 sind wenig. 87 statt 0 sind viel. So oder so kann man den Arbeitsentwurf der Bundesregierung zur der viel zu lange nur im Planungsstadium befindlichen Abschaffung des Amtsgeheimnisses sehen. Kritiker wie Peter Bußjäger jüngst an dieser Stelle verweisen zu Recht auf die Ungleichbehandlung der Bürgerinnen und Bürger in ihrem Informationsrecht, wenn nur Gemeinden über 10.000 Einwohner vom neuen Gesetz erfasst werden. Das sind bloß 87 in ganz Österreich. Alle anderen 2006 kleineren Gemeinden könnten sich zurücklehnen und weiter ihre Aktenschränke und Datenbanken verschlossen halten.

Zugegeben: Die ÖVP ist vor den Warnungen ihrer Bürgermeister eingeknickt, und die Grünen zeigen sich zu schnell verständnisvoll. Zu viel Administration, zu wenig Personal lauten die Argumente gegen eine Veröffentlichungspflicht. Vielleicht schwingt auch die Angst vor zu wissbegierigen Gemeindebürgern mit. Oder vor einem stümperhaften Gesetz, das nur unzureichend die Abgrenzung zwischen Informationspflicht und Datenschutz regelt. Denn Transparenz wünschen sich alle immer nur bei den anderen. Aber nicht beim eigenen Vertrag mit der Gemeinde. Bereits hier geht die Veröffentlichungspraxis in den Gemeinderatsprotokollen weit auseinander. Zwischen vollkommen transparent über geschwärzte Passagen bis hin zur Nichtveröffentlichung.

In Zeiten, wo einer gutgemeinten Gratulation zum Geburtstag immer öfter mit der aggressiven Gegenfrage nach der Herkunft der Daten begegnet wird, tragen die Bürgermeister persönlich das rechtliche Risiko. Ihre Erfahrungen während der Pandemie mit widersprüchlichen Anweisungen vom Bundesgesetzgeber oder Bundesministerium lassen sie zusätzlich vorsichtig sein. Doch bevor nun eine Justament-Diskussion „Alles oder gar nicht“ die ersten Ansätze zur Informationsfreiheit gleich wieder erstickt, gäbe es ein Zauberwort: vorerst. Warum nicht mit den großen Gemeinden ein paar Jahre (nicht zu lange und vorab definiert) Erfahrungen in der Veröffentlichung von Daten in übersichtlicher bürgerfreundlicher Form sammeln.

Denn es nutzt nichts, wenn Informationen in willkürlicher Form auf irgendwelchen Homepages in möglichst großer Zahl publiziert werden. Wer sich schon einmal durch diverse Transparenzplattformen wühlte, weiß ein Lied davon zu singen. Denn Excel-Tabellen-Friedhöfe oder seitenlange Pdf-Listen erhöhen nicht das Informationsgefühl, sondern nur den Unmut gegenüber der Verwaltung. Und es dient oft genug ebenso dem Verschleiern, wie die Lieferung von 32.696 doppelseitig bedruckten Blättern in insgesamt 214 Ordnern des damaligen Finanzministers Gernot Blümel an den Ibiza-Untersuchungsausschuss.

Wenn kleine Gemeinden vom aufgebauten technischen Knowhow (es gäbe dafür sogar ein Staatssekretariat) und den bereits gerichtlich geklärten Streitfällen, welche Informationen wirklich „von allgemeiner Relevanz“ sind, profitieren, wird wohl allen klar: Mit Abschaffung des Amtsgeheimnisses geht die Welt nicht unter. Im Gegenteil: Es birgt die Chance, sich mit Transparenz einen politischen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

„Transparenz wünschen sich alle immer nur bei den anderen. Aber nicht beim eigenen Vertrag mit der Gemeinde.“

Kathrin Stainer-Hämmerle

kathrin.stainer-­haemmerle@vn.at

FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.