Asylwerber sollen verpflichtend helfen

Vorarlberg / 21.09.2023 • 19:40 Uhr
Nazir Hokak und Khan Kaschar arbeiten in ihrem Flüchtlingsquartier in Gaisbühel mit. Caritas
Nazir Hokak und Khan Kaschar arbeiten in ihrem Flüchtlingsquartier in Gaisbühel mit. Caritas

Geteilte Meinung über Arbeitspflicht. Schon jetzt zu wenige Plätze für Hilfstätigkeiten.

Schwarzach Nazir Hokak stammt aus Afghanistan, ist 26 Jahre alt, Asylwerber und lebt seit einem Jahr in Österreich. Khan Kaschar ist 35 Jahre alt, seit fünf Monaten im Land und in Pakistan geboren. Beide wohnen im Haus Gaisbühel – und beide verrichten freiwillige Integrationstätigkeiten, verdienen damit ein kleines Zubrot.

Asylwerber dürfen in Gemeinden oder in Quartieren helfen und 110 Euro zusätzlich pro Monat verdienen. Die Landesflüchtlingsreferentinnen und -referenten haben sich jetzt dafür ausgesprochen, dass diese Arbeitserlaubnis ausgeweitet werden soll. Zudem soll sie zur Pflicht werden. Expertinnen und Experten sind darüber geteilter Meinung.

Viele Stunden

Früher war es Asylwerbern erlaubt, im Rahmen der Nachbarschaftshilfe Privatpersonen zu helfen. Seit 2017 dürfen sie unter dem Titel gemeinnützige freiwillige Integrationstätigkeit nur noch für Gemeinden, Länder und innerhalb der Quartiere arbeiten. Von 2018 bis 2022 sind 82.247 Stunden freiwilliger Integrationsarbeit für die Caritas geleistet worden, dazu 40.299 Stunden für Gemeinden. Heuer zählt die Caritas bereits rund 24.000 Stunden – unter anderem von Nazir Hokak. Er hilft im Haus und im Garten. „Ich kann mir etwas Geld dazuverdienen und sinnvoll arbeiten. Mir ist nicht langweilig.“

Für Integrationsexpertin Eva Grabherr von okay.zusammenleben ist die Ausweitung eine gute Sache. „Man muss rechtlich aufpassen, Stichwort Zwangsarbeit. Das müssen die Juristen klären. Außerdem dürfen keine Ausnützungsverhältnisse entstehen”, betont Grabherr, führt aber aus: „Grundsätzlich sehe ich es positiv. Asylwerberinnen und Asylwerber brauchen eine Tagesstruktur. Und sie bekommen Unterstützung von der Gemeinschaft – die Gemeinschaft möchte deshalb, dass sie etwas zurückgeben. Das ist gut für die Akzeptanz in der Bevölkerung.” Nachsatz: „Die meisten wollen eh helfen. Sie brauchen die Aufforderung nicht.”

Schmolly gegen Pflicht

Caritas-Direktor Walter Schmolly bestätigt: „Beschäftigung gibt Tagesstruktur, ermöglicht Beziehungen, unterstützt beim Deutschlernen und wirkt damit positiv auf die Integration.“ Damit Beschäftigung Sinn macht, brauche es aber klare Rahmenbedingungen. Sie muss auf die konkrete Situation abgestimmt sein und muss abgegolten werden. Und Schmolly betont: „Sie muss der Freiwilligkeit unterliegen. Zwangsarbeit ist rechtlich ausgeschlossen. Die Bereitschaft, etwas beizutragen, ist unserer Erfahrung nach hinreichend gegeben.“ Dass nicht mehr gearbeitet wird, liege an den fehlenden Einsatzmöglichkeiten. „Die müsste derzeit etwa das Land organisieren. Deshalb ist es sinnlos, über Verpflichtungen nachzudenken. Es wäre sinnvoll, den gesetzlichen Rahmen zu erweitern.“ Die damalige Nachbarschaftshilfe hatte den Vorteil, dass Asylwerberinnen und Asylwerber für Privatpersonen arbeiten durften. Eva Grabherr hofft, dass das in Zukunft auch wieder möglich ist. Das Innenministerium soll jetzt ein Modell ausarbeiten. Wo Asylwerber arbeiten dürfen (oder müssen) und wie viel sie verdienen dürfen, steht noch nicht fest.

„Gerne mehr arbeiten“

Khan Kaschar ist froh, dass er arbeiten darf. „Ich war Automechaniker und habe immer schon gerne und viel gearbeitet. Ich möchte nicht ständig untätig sein.“ Jetzt hilft er im Haus und viel im Garten. Kaschar würde gerne mehr arbeiten. „Ich habe noch keinen Platz in einem Deutschkurs. Ich besuche zwar das Deutschcafé, um Arbeiten von außen annehmen zu können, muss ich aber zuerst besser Deutsch sprechen lernen.“ Vielleicht darf er bald auch außerhalb von der Unterkunft helfen.

„Es wäre sinnvoll, den gesetzlichen Rahmen zu erweitern. Die Bereitschaft ist groß.“

Eva Grabherr:
Eva Grabherr: “Die meisten brauchen die Aufforderung nicht.”
Asylwerber sollen verpflichtend helfen