Schulautonomie
Wieder einmal herrscht Riesenaufregung, weil sich eine Schule entschlossen hat, die jungen Menschen mit Bekleidungsvorschriften zu behelligen. Ein Gymnasium in Niederösterreich verlangt von den Mädchen, dass Bauchnabel und Brustansatz bedeckt sind, Burschen dürfen keine Haube oder Kappe tragen, rassistische oder sexistische Aufschriften sind ebenfalls verboten. Die Schulleitung wird paradoxerweise des Sexismus bezichtigt, weil die Mädchen angehalten werden, auf zu aufreizende Kleidung zu verzichten.
In der Wirtschaft sind Dresscodes nichts Ungewöhnliches. Sie sind Teil guter Umgangsformen und es spricht nichts dagegen, wenn sie auch in der Schule gepflegt werden, selbst dann, wenn sie den pubertären Wettbewerb um die größte Aufmerksamkeit (zumeist) beim anderen Geschlecht etwas einbremsen. Natürlich lässt sich über die Art und Weise, wie bestimmte Vorgaben formuliert und kommuniziert werden, immer diskutieren, aber das Anliegen ist eigentlich nachvollziehbar, und die harsche Kritik gerade auch von den Medien verwundert.
Das Beispiel demonstriert auch, was passiert, wenn die in der Theorie so hochgepriesene Schulautonomie (was übersetzt bedeutet: Die Schule gibt sich ihr eigenes Recht) ernst genommen wird. Wehe der Schulleitung, die glaubt, in einer Schulordnung dürften eigenständig entwickelte Lösungen stecken! Für viele Menschen ist Autonomie eine feine Sache, solange die Schule kuscheligen Unterricht anbietet, der niemanden stört, niemanden fordert und auch nichts kostet. Eine solche „Rühr-mich-nicht-an“-Schule gelangt natürlich sehr bald an ihre Grenzen.
Wenn es stimmt, dass die Schulautonomie in Österreich im Vergleich zu vielen anderen Staaten deutlich schwächer ausgeprägt ist, dann hat das vielleicht auch damit zu tun, dass es wenig Lob für gelungene Projekte, dafür aber umso mehr Skepsis beim Beschreiten neuer Wege gibt und die Schelte groß ist, wenn einmal ein Fehler passiert. Das führt dazu, dass möglichst wenig riskiert wird. Letztlich wird so die Autonomie begraben.
„Wehe der Schulleitung, die glaubt, in einer Schulordnung dürften eigenständig entwickelte Lösungen stecken!“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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