Dieser Zustand ist untragbar
Vorarlberg hat eine lange Tradition darin, schwierige Themen zu verdrängen. Das lässt sich auch derzeit beim absichtlichen Scheitern einer vernünftig-akzeptablen Lösung für Abtreibungen beobachten.
Die ethisch herausfordernde Frage von Schwangerschaftsabbrüchen ist in Vorarlberg weniger ausdiskutiert, als wir bisher dachten. Und doch gilt im Bundesland Vorarlberg wie in ganz Österreich die Fristenlösung, seit dem 1. Jänner 1975 übrigens. Grundsätzlich ist ein Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig, er bleibt aber unter bestimmten Bedingungen straffrei. Über die Fristenlösung besteht kein Diskussionsbedarf. Aber nach wie vor über die Durchführung im Alltag des westlichsten Bundeslandes, das sich gern städtischer und moderner gibt, als es in Wahrheit ist.
Der einzige Privatarzt, der Abtreibungen in Vorarlberg vornimmt, ist zwischenzeitlich 71 Jahre alt. Seit über einem Jahr fragen unsere Journalisten immer wieder nach, welche Nachfolgelösung nun kommen solle. Immer wieder verspricht die zuständige ÖVP-Gesundheitslandesrätin, „eine gute Lösung“ zu finden. Nun ist klar: ihr ist parteiintern der Rückhalt abhandengekommen.
Vor einem Jahr kommentierten die „Vorarlberger Nachrichten“: „Die Konservativen in der Landesregierung mögen besser schlafen können, wenn Abtreibungen nicht im Bereich der Landeskrankenhäuser, in ihrem Bereich, durchgeführt werden. Dass der Direktor der Landeskrankenhäuser Gesprächsbereitschaft für Lösungen signalisiert, bei denen die Landeskrankenhäuser eine Rolle spielen, ist eine überraschende, aber gute Nachricht.“
Das Problem wurde aber weiter aufgeschoben, Lösungen von der Vorarlberger ÖVP nur angekündigt. Heute muss man sagen: weniger als halbherzig angekündigt und jedenfalls nicht umgesetzt.
Seit sich Bischof Benno Elbs im VN-Interview zur Angelegenheit zu Wort meldete und Abtreibungen in Spitälern ablehnte, sahen sich konservative Abtreibungsgegner insgesamt unterstützt und im Aufwind. Jedenfalls ist, seit vor einer Woche der Bischof sprach, in der ÖVP der Teufel los. Obwohl der Krankenhausdirektor und die Gesundheitslandesrätin das angekündigt hatten und nach wie vor wollen, wird es keine Abtreibungen in Vorarlbergs Spitälern geben. Die Unterstützung der ÖVP und damit von Landeshauptmann Markus Wallner für eine Spitalslösung ist weg. Worüber man jetzt tatsächlich spricht: Abtreibungen in einem alten Personaltrakt um die Ecke beim Krankenhaus ab Ende 2024. Abtreibungen übergangsmäßig in einem Container. Oder auch in Kauf nehmen, dass es für ein Jahr gar keine Lösung gibt.
Eine, die immer wieder Schutz für Frauen, die zur Abtreibung gehen, forderte, ist die Ärztin und frühere SPÖ-Chefin Gabriele Sprickler-Falschlunger. Denn Abtreibungsgegner suchen diese Orte bewusst auf, belästigen Frauen in unzumutbarer Form. Exakt so lautet jedenfalls die Formulierung, die polizeiliche Wegweisungen erlaubt. Und solche Fälle gibt und gab es auch in Vorarlberg.
Wir stehen knapp davor, dass Schwangerschaftsabbrüche, die gesetzlich seit 1975 möglich sind, im Alltag in Vorarlberg verunmöglicht werden – ein untragbarer Zustand.
Gerold Riedmann
gerold.riedmann@vn.at
05572 501-320
Twitter: @gerold_rie
Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.
Kommentar