“Ohne Pilze geht fast gar nichts”

Erstmals wurde in Vorarlberg eine Rote Liste der Großpilze veröffentlicht. Rund ein Drittel der Arten gilt als stark gefährdet.
Dornbirn Herbstzeit ist Pilzzeit. Das merkt man aktuell vor allem in den Restaurants, wo die schmackhaften Schwammerl wieder Hochsaison haben. Doch Pilze sind weit mehr, als ein kulinarischer Genuss. Die Rote Liste der Großpilze, die erstmals für Vorarlberg erstellt wurde, macht deutlich, dass die Welt der Pilze weit größer ist als das, was auf unseren Speisetellern landet.
2100 Pilzarten
Rund 2100 Arten von Großpilzen – also jene, deren Fruchtkörper mit bloßem Auge erkennbar sind – wurden in Vorarlberg festgestellt. Die ernüchternde Bilanz der Bestandsaufnahme: Ein Drittel davon gilt als stark gefährdet. Ursachen sind ein Überangebot von Nährstoffen, die Vernichtung von Lebensräumen sowie der Klimawandel.

Welchen Stellenwert Pilze in unsere Gesellschaft haben, lasse sich an konkreten Zahlen festmachen, erläutert Inatura-Forschungsleiterin Anette Herburger: “Die wirtschaftliche Wertigkeit von Pilzen beläuft sich auf 55 Billionen Dollar. Die Hälfte des weltweiten Brutto-Sozialprodukts.” Der größte Teil dieser Summe beziehe sich auf die Fähigkeit der Pilze, Kohlenstoff im Boden zu speichern, weitere Teile entfallen auf die Medizin oder die Nahrungsmittelproduktion “Ohne Pilze geht fast gar nichts. Grund genug, diese Rote Liste der gefährdeten Arten zu veröffentlichen.”
60.00 Verbreitungsdaten gesammelt
Verfasst wurde die Rote Liste vom Salzburger Pilzspezialisten Wolfgang Dämon gemeinsam mit Laien wie Werner und Isabella Oswald vom “Pilzkundlichen Verein Vorarlberg”. Über Jahre sammelten sie für Vorarlberg über 60.000 Verbreitungsdaten von 500 Fundorten.

17 Prozent, das sind rund 350 der bekannten Pilzarten, gelten als gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht, weitere 16 Prozent wurden als potenziell gefährdet eingestuft.
“Pilze brauchen Stoffe, die andere Lebewesen schon produziert haben, um sich zu ernähren”, erklärt Dämon. Anders als bei anderen Lebewesen sei es aufgrund ihrer Standortansprüche nicht möglich, Pilze einfach umzusiedeln.” Das oberste Gebot sei daher, die natürlichen Lebensräume für die Pilze zu erhalten. “Das können wir nicht künstlich herstellen.” Das Bewusstsein für Pilze muss laut Dämon steigen. “Bei der Biodiversitätsstrategie 2030+ etwa werden nur gefährdete Tiere und Pflanzen erwähnt, aber mit keinem Wort die Pilze, die botanisch gesehen nicht zu den Pflanzen zählen.”

“Die Erstellung von Roten Listen ist in Vorarlberg als einziges Bundesland gesetzlich normiert”, freut sich Landesrat Daniel Zadra (Grüne), der die Bestandsaufnahme als Ausgangspunkt für weitere Bemühungen um den Biotopschutz sieht. “Der Schutz von Pilzarten kann nur dann gelingen, wenn wir Lebensräume schützen.”
Die grundlegendste Maßnahme, um die Pilze zu schützen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, sei es, die Kinder raus in die Natur zu schicken, ergänzt Wolfgang Dämon: “Es ist wichtig, schon früh in Kontakt mit der Natur zu kommen. Dann wird man sich später dreimal überlegen, ob man einen Wald rodet, eine Feuchtfläche trocken legt oder eine Wiese zubetoniert.”

