Die Tourismusabgabe und das Heizöl

Seit Jahren streitet Tankstellenbetreiberfamilie Kobras mit der Gemeinde über die Höhe der Tourismusabgabe. Dabei geht es um mehr als einige Tausend Euro. „Acht Jahre Rechtsstreit zermürbt einen selbst und die Familie”, sagt Kobras.
Darum geht’s:
- Die Tankstelle Kobras liegt im Streit mit der Gemeinde Lingenau.
- In Vorarlberg können Gemeinden Tourismusabgaben erheben, die sich am Umsatz der Unternehmen orientieren.
- Kobras soll nun über 14.000 Euro Nachzahlungen leisten, was existenzbedrohend ist.
Lingenau Angefangen hatte es mit einer Betriebsprüfung 2014 bei der Tankstelle Kobras an der Landesstraße. Nun liegen die Gemeinde und der Betrieb im Streit miteinander. Dabei eröffnen sich aber auch ganz grundlegende Fragen zur Tourismusabgabe.
Diese kann eine Gemeinde in Vorarlberg zur Förderung des Tourismus im Ort erheben, wenn sie sich selbst als Tourismusgemeinde deklariert. In den vergangenen dreißig Jahren gingen laut Gemeindeverband 46 von 96 Gemeinden diesen Schritt. Dies hat Auswirkungen auf beinahe alle Unternehmen im Ort, die anhand ihrer Berufsgruppe oder den Handelswaren auf ihren Umsatz besteuert werden. Die Besteuerung orientiert sich am Vorteil durch den Tourismus. So wird zur Berechnung der Abgabe 90 Prozent des Umsatzes auf Ansichtskarten als Bemessungsgrundlage herangezogen, aber nur fünf Prozent bei Mineralölprodukten.

Bis 2015 war das Heizöl extra leicht von Kobras auch als Mineralölprodukt eingestuft. Eine Prüfung im Auftrag der Gemeinde kam dann zum Ergebnis, dass es sich um einen Brennstoff handelt. Dafür liegt die Bemessungsgrundlage bei zehn statt fünf Prozent. Entsprechend wurde die Abgabe der vier vorangehenden Jahre nachgefordert. Bei einem Bemessungssatz von zehn Prozent und einem Hebesatz von 0,8 Prozent macht dies vielleicht nur 0,08 Prozent des Umsatzes aus. In der Summe machte dies für vier Jahre über 900 Euro an Nachzahlungen aus. „Da habe ich mich natürlich gewehrt”, erklärt Edwin Kobras (68). Sprich, er zahlte nicht den nachträglich erhöhten Steuersatz. 63 Monate blieb es ruhig, bis im Herbst 2020 gleich mehrere Bescheide für die vergangenen Jahre herein flatterten und die seit 2014 ausgebliebenen Abgabenanteile einforderten. Für den Zeitraum von 2015 bis 2020 schätzte die Gemeinde diese auf rund 8600 Euro. „Die Bescheide entstanden ohne Parteiengehör”, klagt Kobras. Man habe weder ihm geschrieben noch mit ihm geredet. Insgesamt habe man den Umsatz für diese Zeit um über 3,2 Millionen Euro zu hoch geschätzt – mehr, als er in einem guten Jahr an Umsatz habe.

„Ich muss innerhalb von drei Jahren Mahnklage einreichen, sonst falle ich um mein Geld um. Die Gemeinde fordert einfach fast zehn Jahre nach”, wundert sich der inzwischen pensionierte Unternehmer. Kobras wandte sich an Ministerien, das Land, das Landesverwaltungsgericht, Wirtschaftskammer und Volksanwaltschaft. Und tatsächlich sahen die Behörden hier Klärungsbedarf, welchen man den Gerichten überließ. Schlussendlich bleibt es Auslegungssache der Prüfer, das Verwaltungsgericht strich nur die Schuld für die Jahre vor der Prüfung.
Frage des Prinzips
„Acht Jahre Rechtsstreit zermürbt einen selbst und die Familie”, räumt Kobras ein. Dabei geht es ihm nicht nur um die laut ihm insgesamt 14.000 Euro an Steuern, Säumniszuschläge und Mahngebühren. Gerade einmal jede zweite Gemeinde in Vorarlberg ist eine deklarierte Tourismusgemeinde. Und große Mitbewerber sind gerade in jenen Gemeinden, die sich den Verzicht auf die Tourismusabgabe leisten können. „Was hat Lingenau dem Touristen zu bieten”, wundert Kobras sich über den vorhandenen Spielraum. „Und was bietet die Stadt Dornbirn, die keine Tourismusgemeinde ist?” Warum muss die Konkurrenz in diesen Gemeinden weniger Steuern erdulden als er, fragt er sich.

Bürgermeister Philipp Fasser, der im Herbst 2021 die Gemeindeleitung übernahm, äußerte sich gegenüber den VN bislang nicht zu dem anhaltenden Streit. Bei der Wirtschaftskammer ist man sich der allgemeinen Herausforderung bewusst. Grundsätzlich sei die Tourismusabgabe eine sinnvolle Möglichkeit, die kommunalen Freizeit- und Verkehrsangebote aufrechtzuerhalten. „Davon profitieren nicht nur die Urlaubsgäste, sondern auch die einheimische Bevölkerung, denn mit den finanziellen Mitteln wird die Lebensqualität in den Gemeinden erhalten und verbessert”, betont Kerstin Biedermann-Smith, Geschäftsführerin der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft. Sie verstehe aber die Notwendigkeit eines breiten Diskurses. Die Tourismusabgabe sei ein herausforderndes Thema – eben auch, da jede zweite Gemeinde seit 30 Jahren auf sie verzichtet. Vonseiten des Gemeindeverbands will man die Entscheidungen der Gemeinden für oder wider des Tourismusbeitrags nicht kommentieren, sieht man sich als Interessenvertreter aller Gemeinden.
Schlussendlich laufe es so darauf hinaus, dass Nahversorger draufzahlen, warnt Kobras. Er sei bereits die letzte Tankstelle im Umfeld, die nicht vollautomatisiert ist und ein Vollsortiment anbietet. „Derzeit führt noch meine Frau den Betrieb”, betont der 68-Jährige. Nach ihr werde aber keines der vier Kinder unter diesen Umständen den Betrieb übernehmen.