Rainer Keckeis

Kommentar

Rainer Keckeis

Wer hat, dem wird gegeben

Vorarlberg / 01.10.2023 • 21:55 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Vorarlberg ist ein reiches Land mit vielen wirklich wohlhabenden Menschen. Das ist gut so, schließlich wurde dieser Wohlstand nicht zuletzt durch harte Arbeit, kluges Unternehmertum und Glück geschaffen. Obwohl der Vorarlberger mit seinem Reichtum nicht protzt – er parkt seine Sportautos gerne in verschwiegenen Tiefgaragen im In- und Ausland – lässt sich der zum Teil enorme Wohlstand nur mehr schwer verbergen. Zu teuer sind Immobilien geworden, dass sich der fleißige Durchschnittsvorarlberger ohne begüterte Eltern noch ein Wohnungseigentum leisten kann, während allerorts Einfamilienhäuser um Millionen aus dem Boden schießen und die Nachfrage nach Luxuswohnungen ungebrochen ist.

Daneben hat wirtschaftliche Not und Armut immer mehr Menschen fest im Griff. Arbeitslose, Alleinerzieher(innen) und zunehmend mehr Pensionisten können sich ihr Leben nur noch mit viel Verzicht leisten. Arme Menschen hat es immer gegeben und wird es auch immer geben, weil nicht jeder aufgrund seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten mit den heute geforderten Leistungen mithalten kann. Um diese Menschen nicht wie in den USA in die völlige Armut abrutschen zu lassen, benötigt es einen stabilen, leistungsfähigen Staat mit sozialen Sicherungssystemen. Dieser aber wird nicht selten von jenen angeblichen Leistungsträgern infrage gestellt, die selbst mit dem sprichwörtlich goldenen Löffel im Mund auf die Welt gekommen sind. Und was tut die Politik? In einer Mischung aus Feigheit und taktischem Kalkül – die Armen sind ja die Minderheit – machen sie tendenziell eine Politik für jene Menschen, die es aus eigener Kraft schaffen könnten.

Wer kennt sie nicht, die vielen Ausnahmen im Steuerrecht für Wohlhabende? Warum muss jeder Mindestsicherungsbezieher alles offenlegen, wenn er eine Hilfe zum Überleben braucht, gleichzeitig aber unterliegen alle Daten über Einkommen und Vermögen strikt dem Datenschutz? Es hat einmal eine ÖVP gegeben, die für eine Transparenzdatenbank eingetreten ist, damit Fördermissbrauch aufgedeckt werden kann. Geworden ist selbst daraus nichts. Nicht, weil die armutsgefährdeten Menschen das verhindert hätten, sondern weil einige Bundesländer sich strikt weigerten, Daten zu liefern. Sie verteilen lieber Almosen wie den Heizkostenzuschuss, als sich der Probleme armer Menschen ernsthaft anzunehmen. Das würde nämlich bedeuten, dass wir endlich in ein viel besseres Bildungs- und Kinderbetreuungssystem investieren müssten. Wir bräuchten dringend mehr Geld für Menschen, damit sie sich berufliche Umschulungen oder Weiterbildung leisten können. Davon aber sind wir weit entfernt. Von der Politik wird viel lieber in zugegebenermaßen auch wichtige, aber sicher nicht prioritäre Infrastrukturvorhaben investiert.

„Wir bräuchten dringend mehr Geld für Menschen, damit sie sich berufliche Umschulungen oder Weiterbildung leisten können.“

Rainer Keckeis

walter.keckeis@vn.at

Rainer Keckeis ist ehemaliger AK-Direktor Vorarlberg und früherer Feldkircher VP-Stadtrat.