Diättrend macht Diabetesmittel knapp

Ozempic und Co. sind weltweit knapp, die Nachfrage spürbar. Katharina Huber hat Erfahrungen mit der Spritze.
Röthis, Wien Spritzen zur Eindämmung von Diabetes Typ 2 sind weltweit knapp. Denn der Wirkstoff ist ebenfalls als Medikament gegen starkes Übergewicht (Adipositas) zugelassen. Prominente wie Elon Musk werben für diese in Österreich verschreibungspflichtigen Mittel daher als Wunderspritzen gegen Übergewicht. Die Rede ist von Victoza, Ozempic sowie Trulicity. Vom Hersteller der ersten beiden Medikamente gibt es mit Wegovy ein Mittel im Kampf gegen Adipositas, dieses ist in Österreich jedoch trotz Zulassung bisher nicht erhältlich. Die Ärzte sind derzeit angehalten, aus Rücksicht auf die Diabetes-Patienten Neuverschreibungen im Kampf gegen Adipositas zu unterlassen.
Starke Nachfrage
Dennoch, die Nachfrage nach dem Präparat ist gestiegen und enorm, weiß auch Facharzt für Innere Medizin und Forschungsleiter am VIVIT in Feldkirch, Christoph Säly. Die besagten Spritzen werden daher im sogenannten Off-Label-Use abseits des ursprünglichen Verwendungszwecks verschrieben. Seine Erfahrung ist jedoch nicht, dass sie als Lifestyle-Produkt zum Erreichen des Idealgewichts wahrgenommen werden. „Es sind eher Leute, die schon lange mit starkem Übergewicht kämpfen, vieles versucht haben, aber keinen Erfolg hatten“, erklärt Säly.
„Es gibt Anfragen von Kollegen aus Deutschland, die uns gern hundert Spritzen abkaufen würden“, weiß Apothekensprecher Christof van Dellen. Dem würde man natürlich nicht nachkommen. Auch in den Apotheken weiß man vom Aufruf zum Schutz von Diabetespatienten. „Es gibt aber auch Personen, die sich das Medikament privat verschreiben lassen“, erklärt der Leiter der Kurapotheke Schruns. „Und wir können nicht Nein sagen, wenn ein Rezept vorgelegt wird.“ Man habe als Apotheker auch keinen Einblick, aus welchen medizinischen Gründen ein Medikament verschrieben wird.
Erfahrungsbericht
Katharina Huber verwendete mit Victoza eines der betroffenen Medikamente als Mittel gegen Übergewicht. „Damals wurde es von einer Ärztin einer Spezialklinik in Mannheim an mich herangetragen“, erinnert sich die Röthnerin. Gemeinsam mit dem Hausarzt in Vorarlberg wagte sie den Versuch. „Die ersten paar Tage hatte ich kaum Heißhunger, wenn überhaupt Hunger. Doch dann pendelte es sich relativ rasch ein“, erklärt sie.
Dennoch, ihr Gewicht fiel von 110 auf 102 Kilogramm. Doch selbst mit einer erhöhten Dosierung des Mittels war der Erfolg nicht ewig fortführbar. „Von dem Mittel sollte man sich – ohne die dazu notwendige Bewegung – nicht zu viel erwarten“, betont Huber. Durch das geänderte Essverhalten reduzierte sie ihr Gewicht um weitere zwölf Kilogramm, auch als sie Spritze aus Kostengründen absetzte.
Huber kennt beide Seiten der Medaille. Gerade für Berufstätige und Mütter seien eine Umstellung der Ernährung und mehr Bewegung eine große Herausforderung – die sich oft Zeitnöten unterordnen muss. „Nicht jeder hat die Zeit, geschweige denn die Möglichkeit, sein Leben so zu verändern.“ Starkes Übergewicht sei eine Krankheit, die ebenfalls mit einem hohen Leidensdruck einhergeht.
Und auch wenn sie daher den Ansturm auf das „Wundermittel Diätspritze“ versteht, ist dieser nicht problemlos. Nicht nur, weil Diabetiker unter den Konsequenzen zu leiden haben. Mit dem gängigen Schönheitsideal wird der vermeintlich leichte Weg für viele verlockend, seien es die Spritze oder operative Eingriffe wie Magenverkleinerungen. „Letztlich bedeutet Essen auch Genuss, der – wenn er verschwindet – sicher anderswo einen Mangel auslöst“, warnt Huber. Falls das Übergewicht aus einer Sucht resultierte, bestehe damit die Gefahr, dass es sich zu einer Mager- oder Spielsucht verlagere.
Neben- und Nachwirkungen
Hinzu kommt, dass die Spritze nur hilft, solange man sie auch verwendet. Dies bestätigt auch Säly: „Im Durchschnitt nimmt ein Patient nach dem Absetzen der Spritze etwa zwei Drittel des verlorenen Gewichts wieder zu.“
