Eine Idee der Vergangenheit
Das Zeitfenster für die Umsetzung der S18 hat sich geschlossen. Es wird diese Straße niemals geben.
Das ahnten die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger zwar schon seit Jahren, aber die ÖVP-Vertreter in der Regierung haben offenbar bis heute nicht den Mut, dies den Menschen offen zu sagen. Sie tun weiter so, als wäre es nur eine Frage von ein paar Formularen, bis die Bagger auffahren.
Ganz Vorarlberg erträgt die S18-Diskussion tapfer, ein Planungsprozess um den anderen. Man meinte bislang, dass vor allem die Schwerverkehrgeplagten Lustenauer dringend nach Entlastung lechzten. Gestern waren die Bürger der Marktgemeinde aufgerufen. Und während die S18 vor 20 Jahren für hitzigste Diskussionen sorgte, sind 2023 gerade mal 30 Prozent im hauptbetroffenen Ort aus ihren warmen Wohnzimmern gekommen, um ihre Meinung kundzutun. Deutlichst ist die Ablehnung für ein Beton-Ungetüm.
Lustenau hat eine S18-Routenführung an der Backe, die es nicht will. Auch der ÖVP-Bürgermeister Kurt Fischer mag sie ja nicht, hat sie einst “Cholera und Pest”-Variante genannt, in Anspielung an deren internes Variantenkürzel “CP”. Fischer liebäugelte mit einer Direktverbindung durchs Ried. Die ÖVP ist somit zwischenzeitlich gespalten in der S18-Frage, denn Landeshauptmann Markus Wallner und sein Verkehrslandesrat Marco Tittler (beide ÖVP) befürworten die CP-Variante als Ergebnis des Planungsprozesses klar. Hauptsache, die S18 wird gebaut.
Die Straße war schon alles, weckte falsche Hoffnungen über Generationen. Erst Bodensee-Autobahn A15, dann Schnellstraße S18, dann harmlose Riedstraße. In mehreren Varianten an Lustenau vorbei, dann ein Überraschungs-Variäntchen von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne). Ein Weg durchs Schweizer Ried, der mit überhaupt niemandem abgestimmt war. Die Chancen dafür, dass die Grünen noch länger als ein Jahr in der Bundesregierung bleiben, sind minimal.
Die Chancen, dass es dennoch eine S18 je geben wird, sind ebenso minimal. Denn eine Autobahn in die Schweiz ist eine Idee aus der Vergangenheit. Die Pläne für die Schnellstraße waren schon in Bern, Wien, beim EuGH in Luxemburg. Es wurde diskutiert, probegebohrt, geplant und prozessiert. Zwischenzeitlich ist das Straßenprojekt unsichtbar geworden. In den Renderings von ASFINAG und Land Vorarlberg ist die Straße tatsächlich nahezu gänzlich im feuchten Riedboden versenkt.
Ehrlicher, als unsichtbare Straßen zu präsentieren, wäre es, zuzugeben, dass die Zeit, in der man glaubte, dass mit neuen Straßen Verkehrsprobleme zu lösen sind, auch in Vorarlberg vorbei ist. Dass wir bessere Bahnverbindungen benötigen, als einspurige Geleise, von denen man dankbar sein muss, dass sie elektrifiziert sind. Dass zweimaliges Umsteigen für länderübergreifende, überregionale Verbindungen zum Beispiel zum Zürcher Flughafen nicht praktikabel ist. Dass es viele lokale Möglichkeiten gibt, die Route durch die Dörfer für überregionalen Schwerverkehr unattraktiv zu machen.
Es geht darum, kluge Verbindungen für den Bedarf Zukunft zu schaffen und nicht einer nicht umsetzbaren Idee der Vergangenheit ewig nachzulaufen.
gerold.riedmann@vn.at
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