Wie ein Laser auf dem Säntis zum Blitzableiter wird

Studie: Energiereiche Laserpulse können Blitze schon hoch am Himmel aus ihrer Bahn lenken.
Appenzell Der Säntis gilt als Wetterberg. An keinem anderen Ort in der Schweiz wurde mehr Schnee gemessen, an keinem anderen Ort in der Schweiz ist es nasser, an keinem anderen Ort in der Schweiz schlagen mehr Blitze ein. 1882 wurde auf dem Gipfel eine Wetterstation errichtet.
Der 2502 Meter hohe Berg bietet für Wissenschaftler ein ideales Testfeld, da in den 123 Meter hohen Antennenturm in der Gewitterhochphase im Juni, Juli und August Hunderte Blitze einschlagen. Dieser Turm auf dem Säntis wurde in den vergangenen Jahren immer wieder für Messungen an Blitzen genutzt.
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Ein internationales Forscherteam experimentierte im Sommer 2021 auf dem Säntis. Dafür wurde der drei Tonnen schwere “Laser Lightning Rod” (LLR) mit dem Helikopter auf den Gipfel des Berges gebracht. Ziel des Projekts war es, Blitze aus Gewitterwolken gezielt und kontrolliert abzuleiten und damit Schäden durch Blitzeinschläge zu verhindern. „Der Laserblitzableiter ist einer der stärksten Laser seiner Klasse. Wir schießen mit 1000 Laserpulsen pro Sekunde in die Wolken und wollen damit Blitze unschädlich und die Welt dadurch ein Stück weit sicherer machen“, erläutert Laseringenieur Clemens Herkommer vom deutschen Technologieunternehmen Trumpf (die VN berichteten).

Wie die neue Studie im Fachblatt “Nature Photonics” zeigt, konnte die Datenanalyse nun zeigen, dass der Laser Blitze effektiv lenken kann. Mit dem in den Himmel gerichteten Superlaser, der Licht von etwa einem Mikrometer (tausendstel Millimeter) Wellenlänge und mit einer Wiederholungsrate von 1000 Hertz ausstrahlte, können Blitze abgewehrt werden.
Die Forscher profitierten davon, dass der Turm auf dem Säntis mit mehreren Sensoren ausgestattet ist, die den Blitzstrom, elektromagnetische Felder in verschiedenen Entfernungen, Röntgenstrahlen und Strahlungsquellen der Blitzentladungen aufzeichnen, schreiben die Studienautoren. Sie installierten weitere Messgeräte und zwei Hochgeschwindigkeitskameras, die Blitzeinschläge mit bis zu 24.000 Bildern pro Sekunde aufzeichneten.

Diese Kameras waren 1,4 und fünf Kilometer von der Turmspitze entfernt und lieferten nur bei guter Sicht brauchbare Ergebnisse. Dies war bei einem der vier aufgezeichneten Blitze, bei denen der Laser eingeschaltet war, der Fall. Die Kamerabilder zeigen, dass sich der Blitz mehr als 50 Meter lang um den Laserstrahl herumwindet und dann in den Blitzableiter des Turms einschlägt. Der leicht geneigte Laserstrahl war so ausgerichtet, dass er der Turmspitze nahekam.

Physikalisch gesehen passiert wahrscheinlich Folgendes: Die intensiven Laserpulse heizen die Luft stark auf, so dass viele Luftmoleküle in die kühlere Umgebung entweichen. Es entsteht entlang dem Laserstrahl eine Art Kanal mit sehr geringer Luftdichte, ein sogenanntes Filament. In diesem Filament ist die Luft erheblich leitfähiger als in der Umgebung, weshalb sie Blitzableitungen erleichtert. Vergleiche mit aufgezeichneten Blitzen ohne Laser zeigen, dass der Blitz durch die Führung des Lasers sehr viel zielgenauer den Blitzableiter des Turms trifft.

Für ihr Experiment schalteten die Forscher um Aurélien Houard von der Polytechnischen Hochschule in Paris den Laser immer dann ein, wenn sich im Umkreis von drei Kilometern um den Turm ein Gewitter zusammenbraute. Der Laser erzeugte dann einen rund 50 Meter langen Filamentkanal oberhalb der Turmspitze.

“Die Ergebnisse der Säntis-Versuchskampagne im Sommer 2021 liefern Indizienbeweise dafür, dass Filamente, die durch kurze und intensive Laserpulse gebildet werden, Blitzentladungen über beträchtliche Distanzen leiten können”, lautet das Fazit der Studienautoren. Diese vorläufigen Ergebnisse sollten jedoch durch weitere Versuchsreihen mit neuen Konfigurationen bestätigt werden.
Bisher werden Gebäude und andere gefährdete Infrastrukturen durch geerdete Metallspitzen auf dem Dach vor Einschlägen geschützt. Doch künftig könnten solche Laser sensible Einrichtungen wie Atomkraftwerke oder Flughäfen vor Blitzen schützen, wie die Forschenden in der am Montag erschienen Studie schrieben. APA/VN-PAG, GER
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