Wir denken und “dinken”

Seit sie Schülerin war, befasste sich Birgit Rietzler mit der Mundart, inzwischen fördert sie den Nachwuchs.
Au. (VN-cd) Mundartlyrik für und von Dreizehnjährigen. Im Bregenzerwald ist das absolut nichts Abwegiges. Nachdem sich Birgit Rietzler, seit Jahren als eine der Protagonistinnen der Mundartdichtung in Vorarlberg bekannt, in Schulen vorstellte oder bei Auftritten ankündigte, Schreibwillige mit Informationen zu unterstützen, hatte sie bald eine kleine Gruppe beeinander, der Literatur ein besonderes Anliegen ist. 13 bis 20 Jahre alt sind ihre Schützlinge, der sozusagen harte Kern besteht aus fünf jungen Leuten, die immer wieder kommen und das Schreiben in der Mundart so weit perfektionieren konnten, dass sie bereits öffentlich auftreten bzw. dass ihre Texte publiziert werden.
„MundartMai“
Bekanntermaßen hat der Musiker, Autor und Verleger Ulrich Gabriel vor einigen Jahren die Reihe „MundartMai“ ins Leben gerufen, in deren Rahmen der schreibende Nachwuchs eine Plattform erhält. „In ihren Texten ist eine Tiefe, die den Schreibenden selbst oft noch gar nicht bewusst ist“, lobt Rietzler ihre jungen Autoren. In Mundart zu schreiben, habe sich unter anderem als sms-kompatibel erwiesen. Eine aus dem Alltag nicht mehr wegzudenkende Kommunikationsform erweist sich somit auch als Training für die literarische Kurzform, die die Lyrik nun einmal ist. „Die jungen Autoren lassen die Mundart wieder aufleben“, sagt sie. Dass sich die Mundart damit auch verändert, sei kein Grund für ein Bedauern, sondern vielmehr ein sehr spannender Vorgang.
„Vögelewohl“
Für Birgit Rietzler selbst, die 1961 in Lustenau geboren wurde und in Au im hinteren Bregenzerwald aufwuchs und dort blieb, hat alles bereits in der Hauptschule begonnen. Für eine Abschlussfeier wurde ein Text verfasst, später hat sie dann in der Gemeinde Schoppernau Öffentlichkeitsarbeit gemacht und erste kleine Stücke geschrieben. Die Literaturliste ist inzwischen lang. Den
Titel „Wiebr, Mä und Gogozäh“ oder „Vögelewohl“ haben wohl viele gleich parat. Ihre Themen findet Birgit Rietzler im Alltag, dass sich die große Welt in der kleinen spiegelt, steht für sie fest, „so wie die Nachbarn miteinander umgehen, die Gartenzaun an Gartenzaun zusammenleben, geht es auch auf der Welt zu“.
Dass sie die Zäune lieber gar nicht haben würde, erwähnt sie nebenbei. Die Mundart ist schließlich etwas, das die Menschen verbindet. Bei Lesungen wird sie oft darauf angesprochen, dass Mundartdichtung etwas ist, das unmittelbar zu Herzen geht. „Die Leute sagen immer wieder, dass sie den Eindruck hatten, nun wieder ihre Mutter oder ihren Vater gehört zu haben. Da spielen Emotionen mit. Mundart ist eine Herzenssprache.“
Und freilich interessiert sich Birgit Rietzler auch für die Forschungen rund um die Mundart. Schließlich wurden ja bereits Mundart-Landkarten erstellt, die im Fall von Vorarlberg wie ein Fleckerlteppich aussehen. Im hinteren Bregenzerwald spricht man etwas anders als im Vorderwald, erklärt sie den Unwissenden. Ein deutlicher Aspekt liegt in der Umwandlung eines E in ein I. Im Hinterwald denkt man also nicht, sondern man „dinkt“ und eine Henne ist eine „Hinn“. Den typischen Unterschied könne man gleich hinter der Kanisfluh feststellen. Es klingt übrigens sehr schön, wenn man sich Hör- und Lesevergnügen nicht nur schenkt, sondern „schinkt“ und vor allem gönnt.
Die jungen Autoren lassen die Mundart wieder aufleben.
Birgit Rietzler
Zur Person
Birgit Rietzler
Geboren: 1961 in Lustenau, aufgewachsen in Au
Tätigkeit: kaufmännische Tätigkeit, schriftstellerische Arbeiten
Publikationen: „Wiebr, Mä und Gogozäh“, „Schneeschpura“, „Berberitzen“, „Vögelewohl“, Texte in Anthologien
Familie: verheiratet, drei Kinder, ein Enkelkind
Wohnort: Au
Lesung beim MundartMai am
22. Mai, 11 Uhr, Gasthaus Löwen Au-Rehmen, mit Marcel Bader, Julia Gridling, Alexandra Zünd, Irma Fussenegger und Birgit Rietzler.
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.