Der Hochalpen-Chef geht

Der Straßenmeister der Silvretta-Hochalpenstraße – sie wird heute geöffnet – verabschiedete sich in die Pension.
Partenen. (VN-kum) Die Bergstraße mit den 34 Kehren wurde seinem Vorgänger zum tödlichen Verhängnis. Es passierte bei Felssprengarbeiten. Ludwig Schönherr, der langjährige Straßenmeister der Silvretta-Hochalpenstraße, rutschte im Gelände aus und stürzte 30 Meter ab, vor den Augen seines Teams. Auch sein damaliger Stellvertreter Christian Kasper sah, wie sein Chef in den Tod stürzte. Das hielt Kasper jedoch nicht davon ab, sich für den riskanten Job zu bewerben. Weil er seit 1987 Straßenmeister-stellvertreter war und Erfahrung hatte, wurde er 2001 zu Schönherrs Nachfolger bestellt. Jetzt oblag Kasper die Verantwortung für die 23,5 Kilometer lange Straße.
Respekt vor der Straße
„Angst hatte ich nie vor der Straße, aber sie hat mir immer Respekt eingeflößt“, gibt der Gortipohler zu, der die Silvretta-Hochalpenstraße nicht nur für eine der schönsten, sondern auch für eine der gefährlichsten Gebirgsstraßen Mitteleuropas hält. „Es gibt keinen Straßenabschnitt, von dem ich sagen könnte, dass nichts passieren kann.“ Das sagt einer, der an seinem Arbeitsplatz – der Straße – schon ein paar Mal fast zu Tode gekommen wäre. Kasper erinnert sich an einige brenzlige Situationen, in denen sein Leben und das seiner Mitarbeiter gefährdet war. Riesenglück hatten er und sein Team zum Beispiel im Jahre 2013, kurz bevor die Straße für den Verkehr freigegeben wurde. „Wir, eine 15-Mann-starke Gruppe, waren bei der Kehre 23 mit Asphaltierungsarbeiten beschäftigt. Plötzlich hörte ich ein Grollen. Die Arbeiter unter mir schrien: ,Rennt, rennt, ein Felsturz.‘ Und schon donnerten Steine über mich hinweg. Wir rannten alle um unser Leben.“ Nachsatz: „Wie durch ein Wunder gab es keine Toten.“ Der Straßenmeister erlebte in der Silvretta auch „wilde Gewitter“ mit erdbeergroßen Hagelkörnern und riesige Murenabgänge, die die Straße verlegten, obwohl man in den vergangenen Jahren viel in die Sicherheit investiert und Tobel verbaut hat. Im Herbst wiederum hatte er es mit einer vereisten oder mit Schnee bedeckten Straße zu tun, die das Aufstellen der 2500 Schneestangen zum Risiko machten. Die Schneeräumung im Frühjahr wiederum, die bei viel Schnee bis zu acht Wochen dauern kann, barg für ihn und sein Team andere Gefahren. „Die kritischste Situation erlebte ich im Vorjahr auf Tiroler Seite. Es war ein wunderschöner Tag. Wir machten die Straße von einer Lawine frei. Gegen 15 Uhr brachen wir die Arbeit ab, weil mich ein ungutes Gefühl beschlichen hatte. Um 16.30 Uhr rief mich der Wirt vom Gasthof Piz Buin an und sagte mir, dass eine 500 Meter breite Lawine auf die Stelle abgegangen sei, wo wir zuvor gearbeitet hatten.“
Tierische Aufträge
Die vergangenen 29 Jahre bescherten ihm viele Erlebnisse und einen Spitznamen. „Wenn mich jemand necken möchte, sagt er Highway-Manager zu mir. So wurde ich einmal in einem Tourismusbuch bezeichnet.“ Seit er und sein Team einen Opferstockdieb in der Barbara-Kapelle auf der Bielerhöhe dingfest machen konnten, nannte man seine Truppe auch „SOKO Silvretta“. Eine Kamera, die Kasper in der Kapelle montiert hatte, überführte den Täter. Aber die ersten Bilder, die sie lieferte, waren von einem Haflinger, der die Blumensträuße fraß. Die „SOKO Silvretta“ bewältigte auch tierische Aufträge. „Als es einmal im September zu einem Wintereinbruch kam und wir die Straße sperren mussten, haben wir eine Woche lang 20 Schweine auf der Alpe Vermunt gefüttert.“
Die Straße hat mir immer sehr viel Respekt eingeflößt.
Christian Kasper
Zur Person
Christian Kasper
übte in den vergangenen 29 Jahren als (stellvertretender) Straßenmeister der Silvretta-Hochalpenstraße einen riskanten Job aus.
Geboren: 16. September 1954
Ausbildung: Kunstschmied
Familie: verheiratet, zwei Töchter
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