„Ich will das Glück spüren“

Erstes Buch von Irmgard Kramer (50) für Erwachsene.
Wien Auf dem Tetrapack steht es schwarz auf weiß: Mindestens haltbar bis . . . oder anders ausgedrückt. Es könnte sein, dass die Milch danach ganz schön sauer aufstößt. Gefühle hingegen kommen weit weniger komfortabel daher. Sie lassen einen zwar spüren, wenn irgendetwas nicht mehr stimmig ist. Doch einfach wegschütten wie saure Milch, das geht mit ihnen nicht.
Irmgard Kramer ist froh, dass Gefühle kein Ablaufdatum haben. „Mir geht es super“, sagt die gebürtige Dornbirnerin, die ihren Lebensmittelpunkt schon vor einigen Jahren nach Wien verlegte. Im Moment schlendert sie telefonierend über den Heldenplatz. In der Österreichischen Nationalbibliothek ist das Handy tabu. Doch eine Pause in der Sonne tut bei der Temperatur von 31 Grad gut.
Der Vorarlberger Kinder- und Jugendbuchautorin macht Hitze nichts aus. „Im Gegenteil“, erzählt sie lachend, „im Sommer ist die Stadt am schönsten.“ Die 50-Jährige ist viel unterwegs, trifft sich mit Leuten, lernt neue Freunde kennen, trifft alte Bekannte wieder. „Menschen machen das Leben aus.“ Das Leben, das ihr die Geschichten liefert, an denen sie uns alle in Buchform teilhaben lässt.
„Liebe ist die beste Köchin“ heißt ihr neuester Roman, der ab 2. September im Buchhandel erhältlich ist. Es ist ihr erstes Buch für Erwachsene, das die Gewinnerin des österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreises 2019 veröffentlicht. Ein neues Genre, weil sie im alten alles erreicht hat? „Um Gottes willen, nein.“ Kramer klingt fast ein wenig erschrocken und setzt auch gleich fort: „Ich schreibe, was ich schreiben mag. In Schubladen stecken es die anderen.“
Sie liebt es einfach, Geschichten zu erzählen. Geschichten, die sich in ihrem Kopf anbahnen, sich aus einem Sammelsurium an Eindrücken und Erlebnissen formieren und die sie mit kleinen Portionen ihrer eigenen Lebensgeschichte würzt. Das liest sich locker flockig, doch jeder Text ist harte Arbeit. Und jedes Buch eine neue Herausforderung. Stundenlang sitzt sie manchmal in der Nationalbibliothek und denkt über die richtigen Namen für die Protagonisten nach. „Sie fallen nicht vom Himmel“, bedauert die ehemalige Volksschullehrerin.
An manchen Tagen kann es passieren, dass die Word-Datei genauso leer bleibt wie der Kopf. Und das über Stunden. Dann schwirren Kramer Gedanken durch den Kopf wie „Ich bin eine Betrügerin, ich kann gar nicht schreiben.“ Das ist der richtige Moment, um den Drama ein Ende zu setzen. Gerne greift sie zur E-Bassgitarre und zupft und groovt, was das Zeug hält. Musik macht den Kopf frei. Beflügelt die Fantasie. Macht glücklich.
Schreiben kann das aber auch. Nämlich dann, wenn es läuft. Wenn sich die Word-Datei mit Text füllt und die Geschichte flutscht wie der Schmierölkreislauf unter der Motorhaube. „Dieser Flow ist ein wahnsinnig tolles Gefühl, das mich glücklich mach. Ich will das Glück immer wieder spüren“, sagt die Dornbirnerin. CRO
Zur Person
Irmgard Kramer
Geboren 1969 in Dornbirn
Wohnort Wien
Beruf bis 2010 Volksschullehrerin,
ab 2010 Autorin (bei der Literaturagentur „Die Buchagenten“ unter Vertrag), gibt Schreibworkshops
(z. B., Mittwoch, 4. September beim FAQ Bregenzerwald 2019)
Hobby Musik, Mitglied einer Band, Lesen, Konzerte, Theater
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