Der Maturaretter

Pensionierter Mathelehrer Heribert Hämmerle ist unentbehrlich.
Dornbirn Er ist das, was unser Schulsystem derzeit dringend braucht: Ein Lehrer der da ist, wenn keiner mehr da ist. Wenn eine absolute Notsituation vorliegt. Wenn ein Mathematiklehrer im Maturajahr plötzlich ausfällt und niemand sonst übernehmen will oder kann. Dann gibt‘s in der Bildungsdirektion die Hotline zum 69-jährigen Heribert Hämmerle. Den Mann für schwierigste Sondermissionen.
„Pensionist“ seit 2010
„Offiziell ging ich 2010 in Pension. Doch bereits kurz darauf wurde ich mobilisiert. Ein Kollege fiel in meiner alten Schule zwei Monate vor der Matura krankheitsbedingt aus. Ich übernahm.“
2012 dasselbe: Ein Mathelehrer hatte Burnout, wieder kam Heribert Hämmerle, dessen Schüler ihn früher immer „Häher“ nannten. „Als dann am BG Feldkirch Schillerstraße gleich zwei Mathematiklehrer kurz vor Schulbeginn nach Liechtenstein wechselten, fragte ihn der Direktor: „Bitte komm‘ mit einer halben Lehrverpflichtung zu uns.“ Hämmerle kam. „Vor allem auch deswegen, weil ich eine siebte Klasse übernahm, die im nächsten Jahr als Modellversuch die Zentralmatura absolvierte. Das Projekt hat mich ungemein gereizt.“
„Liebesterror“
Sein Ruf als fachpädagogischer Retter in großer Not war schon längst gefestigt. So verschlug es „Häher“ nach verzweifelten Hilferufen der Verantwortlichen auch zu Konservatoriumsschüler und an die HLW nach Feldkirch. „Die Musikschüler sind mir als besonders feine und interessierte Jugendliche in Erinnerung geblieben.“ Und weil sie schließlich „Liebesterror“ auf ihn ausübten, führte er sie halt auch zur Matura. „Sie haben mir ein wunderschönes Lied gewidmet und mich darin zum Bleiben aufgefordert.“ An der HLW habe er sich zuerst seinen etwas rauen Dornbirner Humor abgewöhnen müssen. „Das vertragen nicht alle. Ich musste daran arbeiten.“
Heribert Hämmerle war sich nie zu schade, selber zu lernen. „Als ich 40 war, hatte ich ein sehr starkes Gefühl von Unzufriedenheit. Ich war nicht beliebt bei den Schülern und wusste: Du machst was falsch.“
Kuh als Lehrmeister
Hämmerle entschied sich zu einer Auszeit mit außergewöhnlichem Alternativprogramm. Er erwarb eine Farm in Argentinien und zog sich in die Einsamkeit mit schlichten Tagesabläufen zurück. Und er lernte. „Im Umgang mit einer Kuh lernte ich Geduld. Das Tier wollte sich nicht melken lassen, sträubte sich vehement gegen alle Versuche, das Euter zu berühren. Ich musste die Kuh mit sehr viel Liebe und Behutsamkeit dazu bringen, sich am Euter anfassen zu lassen. Letzten Endes gelang mir das.“
Dieses Erlebnis habe ihm bei seinem Comeback in der Schule sehr geholfen. Seine Rolle als Lehrer fundamental verändert habe jedoch die Zentralmatura, deren Mathematikinhalte an der AHS er zwar nicht gut findet, deren Wesen den Umgang mit den Schülern jedoch auf eine völlig neue Ebene gehoben habe. „Jetzt sind Lehrer und Schüler tatsächlich Partner. Wir sind Trainer und Coaches, haben mit unseren Schützlingen ein gemeinsames Ziel.“
Schluss nach diesem Jahr?
Den Lehrer abstreifen könne er im Privatleben leider nicht immer. „Ich bin oft ein Besserwisser. Mein Bub nimmt das mittlerweile locker, meine Tochter weniger“, gesteht „Häher“ mit entwaffnender Ehrlichkeit. Überhaupt zeichnet das Lehrer-Original eine erfrischende Direktheit aus. Diese Direktheit kommt bei vielen gut an.
Ob nach dem jetzt laufenden Schuljahr für ihn als heiß begehrter Aushilfslehrer wirklich Schluss ist? „Ja, sicher, es sei denn . . .“ VN-HK
Zur Person
Heribert Hämmerle
Heribert Hämmerle hilft als Mathelehrer seit fast zehn Jahren aus.
Geboren 20. Juli 1950
Beruf Pensionist
Wohnhaft Dornbirn
Familie verheiratet, zwei Kinder
Hobbys Holzen, Schnapsbrennen
Lieblingsspeise Steak
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