„Neues Zeitalter mit neuen Spielregeln“

Wissen / 29.03.2019 • 16:49 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Die Politik tue nahezu nichts, meint Richard David Precht. Amanda Berens
Die Politik tue nahezu nichts, meint Richard David Precht. Amanda Berens

Philosoph Precht prognostiziert große Umbrüche.

dornbirn „Wir treten in ein neues Maschinenzeitalter ein“, sagt der Philosoph und Publizist Richard David Precht. Kürzlich war Precht im Rahmen des Business Summit der Fachhochschule und der Raiffeisenbanken im Land. Auch mit den VN sprach er über seine Zukunftsvorstellungen.

 

Leben und arbeiten wir bald Seite an Seite mit Robotern?

precht So würde ich das nicht direkt formulieren. Aber die Anzahl der Roboter wird stark steigen.

 

Sie beschreiben in Ihrem 2018 erschienenen Buch „Jäger, Hirten, Kritiker: Eine Utopie für die digitale Gesellschaft“ (Goldmann-Verlag) Umwälzungen, ausgelöst von der Digitalisierung. Was sind die Folgen am Arbeitsmarkt?

precht Es wird eine wachsende Zahl von Menschen geben, die in der klassischen Erwerbsarbeit nicht mehr gebraucht werden. Für diese Menschen wird es keine Erwerbsarbeit mehr geben. Natürlich entstehen neue Berufe, beispielsweise im IT-Hochleistungsbereich, es wird etwa Big-Data-Analysten oder Virtual-Reality-Designer brauchen. Aber wer vorher in der Bank hinter dem Schalter gestanden ist, wird kein Virtual-Reality Designer. Wir müssen uns also auf eine gewisse Arbeitslosigkeit einstellen.

 

Tut die Politik genug?

precht Sie tut zu wenig, weil sie die Digitalisierung rein technisch-ökonomisch begreift. Man denkt, dass Digitalisierung mehr Entrepreneurship, mehr Start-ups und eine bessere Netzinfrastruktur bedeutet. Das ist alles richtig. Aber Digitalisierung bedeutet auch das Ende der klassischen bürgerlichen Leistungsgesellschaft, wie wir sie kannten. Es bedeutet, dass wir in ein neues Maschinenzeitalter eintreten, das neue Spielregeln haben wird. Das müssen wir gestalten. Und da tut die Politik nahezu nichts.

 

Wie stark wird sich der von Ihnen prognostizierte Umbruch auf Vorarlberg auswirken?

precht Vorarlberg gehört zu den privilegierten Regionen. Nicht nur in Österreich, sondern in Europa. Es gehört sicherlich zu jenen Regionen, die sich weniger Sorgen machen müssen, was die Produktivitätssteigerung angeht. Es wird auch nicht das Zentrum großer Arbeitslosigkeit sein. Aber Vorarlberg ist nicht außerhalb der Welt. Die Probleme Österreichs sind auch die Probleme Vorarlbergs. Und die Probleme der europäischen Industriegesellschaften sind ebenso die Probleme Vorarlbergs.

 

Sie schlagen ein bedingungsloses Grundeinkommen vor. Warum könnte das eine Lösung sein?

precht Jeder Österreicher würde 1500 Euro im Monat bekommen. Wenn man länger keiner Erwerbsarbeit nachgeht, gäbe es keine Stigmatisierung mehr. Derzeit lebt man in diesem Fall von der Arbeitsleistung der anderen. Unser klassisches Rentensystem, wonach die Erwerbstätigen jene ernähren, die nicht arbeiten, ist nicht aufrechtzuerhalten. Das liegt erstens an der Digitalisierung. Und zweitens auch am demografischen Wandel.

 

Wie könnte man so ein Grundeinkommen finanzieren?

precht Mein Wunsch wäre es, es nicht über die Besteuerung von Arbeit zu finanzieren. Jedenfalls nicht hauptsächlich. Eine Finanztransaktionssteuer könnte gewaltige Summen bringen. Andere Ideen wären eine Maschinensteuer, was aber nur global Sinn macht, oder Umweltsteuern. Es ist nicht so, dass das Geld nicht da wäre. Es ist eine Verteilungsfrage. VN-RAM

Zur Person

Richard David Precht

. . . geb. am 8. Dezember 1964 in Solingen (Deutschland), ist Philosoph, Publizist und Autor. Zu seinen bekanntesten Büchern zählt das 2007 erschienene „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ (Goldmann-Verlag).

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