Eine erhellende Finsternis

Wissen / 26.05.2019 • 10:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Eine erhellende Finsternis
Es ging nicht um die Sonne selbst, sondern um die Sterne, die neben ihr am Himmel stehen. AP

Wie eine Sonnenfinsternis vor hundert Jahren das Weltbild veränderte.

Schwarzach Nächsten Mittwoch, am 29. Mai, ist es genau 100 Jahre her, dass eines der bedeutendsten wissenschaftlichen Experimente der Menschheitsgeschichte durchgeführt wurde. Nicht in einem Millionen teuren Labor, nicht von einer Heerschar von Wissenschaftlern und Ingenieuren und nicht in einer der großen Forschungseinrichtungen der Alten oder Neuen Welt. Sondern von zwei Mann mit minimaler Ausrüstung auf einer winzigen Insel vor der Westküste Afrikas. Die Ausrüstung bestand aus einem bescheidenen Linsenfernrohr, verbunden mit einem damals üblichen unförmigen Fotoapparat, einer Plattenkamera. Sir Arthur Eddington, ein britischer Physiker, leitete damals eine Expedition – um eine Sonnenfinsternis zu fotografieren. Sie dauerte mehr als sechs Minuten, also gab es genügend Zeit, ein paar Aufnahmen zu machen.

Überstrahlend

Aber warum? Die Sonne ist ja verfinstert, der Mond steht davor. Es ging nicht um die Sonne selbst, sondern um die Sterne, die neben ihr am Himmel stehen. Die sieht man normalerweise natürlich nicht, weil sie die Sonne überstrahlt, außer eben bei einer Sonnenfinsternis. Wetterbedingt gelangen Eddington nur zwei gute Aufnahmen. Die konnte man nun mit Fotos derselben Himmelsgegend vergleichen, die man lang vorher in einer normalen Nacht aufgenommen hatte, also ohne Sonne im Vordergrund. Da zeigte sich nun der erwartete Effekt: Die Sterne, die bei der Finsternis nahe am Sonnenrand gestanden waren, zeigten auf den Fotoplatten eine winzige Verschiebung, verglichen mit den Aufnahmen ohne Sonne – es war, als ob die Schwerkraft der Sonne die Lichtstrahlen ein bisschen „nach innen“ gebogen hätte; umso mehr, je näher an der Sonne das Licht vorbei musste. Genau diesen Effekt hatte ein junger Gelehrter vier Jahre vorher mit einer revolutionären, neuen Theorie vorausgesagt. Der Mann war Albert Einstein, seine Theorie die Allgemeine Relativitätstheorie. Sie lieferte ein völlig neues Verständnis von Raum und Zeit, die nun als untrennbare Einheit betrachtet wurden.

Lichtablenkung

Heute ist Einsteins Theorie anerkannt, die auf ihrer Grundlage voraus gesagten Schwarzen Löcher wurden im Universum gefunden, es gibt sogar schon ein Foto von einem Schwarzen Loch in der Galaxie M 87. Aber im Jahre 1919 war davon noch nichts bekannt, Eddingtons Fotoplatten lieferten den ersten Beweis für die Richtigkeit der Theorie. 1911 hatte Einstein in seinen Berechnungen einen Fehler gefunden. Die Lichtablenkung war doppelt so groß wie ursprünglich angenommen, nämlich 1.85 Bogensekunden. Das ist der Winkel, unter dem wir eine 1-Euro-Münze in rund zweieinhalb Kilometer sehen. Und diesen Wert fand Eddington auf ein paar Prozent genau! Das Ergebnis wurde veröffentlicht, lieferte Schlagzeilen auf der ganzen Welt und machte Einstein zum Wissenschaftsgenie des Jahrhunderts, er wurde gefeiert wie später die Astronauten. Ein reiner Theoretiker! Heute nicht mehr vorstellbar . . .