Rudolf Öller

Kommentar

Rudolf Öller

Reiche Wälder

Wissen / 06.10.2019 • 07:59 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

In den Achtzigerjahren war das „Waldsterben“ in aller Munde. Dieser Begriff wurde in den deutschsprachigen Ländern, in denen die Lust am Weltuntergang längst erotische Ausmaße angenommen hat, besonders häufig verwendet. Irgendwann wurde klar, dass der Wald nicht expertengerecht starb, was auch eine Folge neuer Filteranlagen und Katalysatoren in Industrie und Verkehr war.

„In Österreich nimmt der Wald wegen des Rückgangs der Almen sogar besonders stark zu.“

Die Klimaerwärmung, deren Ausmaß am Rückgang der Gletscher ablesbar ist, hat viele Ursachen, von denen man mit Sicherheit noch nicht alle kennt. Über eine Ursache wird nur wenig diskutiert. Es ist das Schwinden der Wälder. Weltweit wird fortlaufend gerodet. Laut „World Bank Group“, ein Konsortium, das genaue Statistiken führt, ist die Welt-Waldfläche innerhalb einer Generation (1990-2015) von 41.282.695 km² auf 39.991.336 km² zurückgegangen. Das ist ein Rückgang um über 3 Prozent.

Russland, China und die USA zählen zu den wenigen Ländern, in denen die Waldflächen größer geworden sind. In Österreich nimmt der Wald wegen des Rückgangs der Almen sogar besonders stark zu. Es ist daher rätselhaft, warum Österreich mit dem höchsten Anteil von Ökostrom in der EU und seinen wachsenden Wäldern ein „Klimasünder“ sein soll.

Zuckerberg

Die grünen Pflanzen erzeugen mittels Fotosynthese aus Kohlendioxid und Wasser Zucker und Sauerstoff. Die Welt-Ausbeute eines Jahres beträgt (Wälder, Meeresalgen und Plankton) rund 50.000 Milliarden Tonnen gebundenen Kohlenstoff oder 220.000 Milliarden Tonnen organische Stoffe. Würde man diesen Gewinn als Kristallzucker zusammentragen, so ergäbe das einen Berg mit einer Grundfläche von mehr als 100 km² und einer Höhe von über 3.000 Metern. Pflanzen produzieren nicht nur Nahrung, sondern auch Sauerstoff. Auf der Grundlage von Eisbohrproben haben US-Wissenschaftler nachgewiesen, dass der Sauerstoffanteil in der Erdatmosphäre in den vergangenen 800.000 Jahren um 0,7 Prozent zurückgegangen ist. Der Grund dafür ist noch unbekannt. Ersticken müssen wir nicht, es sind noch Unmengen an Sauerstoff vorhanden.

Millionen Liter Benzin

Wälder binden CO2. Einheitliche Zahlen gibt es nicht, weil tropische Wälder mehr Kohlendioxid binden als europäische. Es gibt aber eine Faustregel. Ein Quadratkilometer Wald speichert pro Jahr unabhängig vom Alter ungefähr 1.300 Tonnen CO2. Das bedeutet, dass die von 1990 bis heute gerodeten Wälder ungefähr 1,7 Milliarden Tonnen Kohlendioxid pro Jahr quasi übrig lassen. Das ist die Menge, die bei der Verbrennung von über 700 Millionen Litern Benzin pro Jahr entsteht. Wir brauchen daher wieder mehr Wald, und zwar nicht nur wegen des Kohlendioxids. Wälder sind artenreiche Systeme, wobei die Betonung auf reich liegt.

Mag. Dr. Rudolf Öller ist Biologe und Lehrbeauftragter des Roten Kreuzes.

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