Bizarrer Speicher

Ein Kraftwerk aus Fels.
Schwarzach Um das Ziel einer Wirtschaft ohne CO2-Austoß zu erreichen (Dekarbonisierung), sind die Quellen der Energie inzwischen erfreulich klar: Niemand zweifelt mehr an Wind und Sonne. Vor vierzig Jahren war das noch anders – Menschen staunten, wie heiß das Wasser aus einem Sonnenkollektor wurde. Photovoltaik war damals eine teure, exotische Weltraumtechnologie, im Alltagsleben nicht erfahrbar. So weit, so gut. Heute haben sich die Zweifel auf das Gebiet der Speicherung verlagert. Wird es je gelingen, die Ausfallzeiten der natürlichen Energiequellen zu überbrücken? So und so viele Gaskraftwerke „vorzuhalten“, ist keine prickelnde Option. Wer allerdings in die Speichermaterie eintaucht, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Es gibt nicht ein oder zwei Optionen, sondern Dutzende. Das liegt auch an der präferierten Energieform: elektrischer Strom. Ihm wird oft als Nachteil angekreidet, er müsse im Augenblick des Entstehens verbraucht werden – dabei wird übersehen, dass sich elektrische Energie mit hohem Wirkungsgrad in andere Energieformen umwandeln lässt. Zum Beispiel in potentielle Energie: Die Energie der Lage. Das ist die bekannte Energie des Silvrettaseewassers, das durch seine hohe Lage imstande ist, innerhalb von Sekunden durch die Turbinen im Tal eine Menge Elektrizität zu erzeugen. Ideal.
Hubspeicherkraftwerk
Man hat allerdings ausgerechnet, dass zum Beispiel Deutschland zweimal den ganzen Bodensee in entsprechender Höhe als Speicher zur Verfügung haben müsste. Das gibt die Topografie nicht her. Aber wer sagt denn, dass es unbedingt Wasser sein muss, das erst hochgehoben und dann „fallen gelassen“ wird, um Strom zu erzeugen? Es eignet sich jede Masse, je schwerer, desto besser. Zum Beispiel Fels. Das nennt sich dann Hubspeicherkraftwerk. Dazu existieren zahlreiche Vorschläge, die alle ohne Chemie auskommen. Keine problematischen Metalle, keine komplizierten Konstruktionen. Ich will nur das bizarrste durchgerechnete Exempel herausgreifen. Dabei wird in felsigem Untergrund mit Bergbaumethoden ein Felszylinder herausgesägt. Einen Kilometer hoch, einen Kilometer dick. Überschussstrom betreibt Pumpen, die in den Bereich unter dem Riesenbrocken Wasser einpressen. Mit 200 Bar. Der Steinzylinder wird sich heben, Meter um Meter. Wird Energie gebraucht, lässt man das Wasser durch Turbinen strömen und Strom erzeugen; der Steinblock senkt sich langsam ab. Der deutsche Professor, der sich das ausgedacht hat, behauptet, es gebe bei der Durchführung keine grundsätzlichen Probleme, die erforderlichen Techniken existieren alle schon. Das System wird mit zunehmender Größe immer leistungsfähiger und billiger. Lässt man den Steinzylinder im Beispiel nur 500 Meter ausfahren, speichert er nach Angaben des Erfinders Eduard Heindl zwei Terawattstunden, fast 3 % des jährlichen Stromverbrauchs in Österreich. Christian Mähr