Der Deutsch-Türke Tan Caglar sitzt im Rollstuhl und macht Stand-up-Comedy

Wohin / 29.03.2019 • 14:30 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Der Deutsch-Türke Tan Caglar sitzt im Rollstuhl und macht Stand-up-Comedy
Mit seinen Stand-up-Comedy-Auftritten bereichert er die Szene und das Publikum um seine ganz eigene Erfahrungswelt. Angela Wul

“Comedy muss auch barrierefrei sein”, sagt Comedian Tan Caglar. Demnächst ist er in Hohenems zu sehen.

Schwarzach Wegen einer Rückenmarkserkrankung ist Tan Caglar auf den Rollstuhl angewiesen. Doch das hindert ihn nicht daran, Stand-up-Comedy zu machen, Basketball zu spielen oder zu modeln. Im April ist er mit seinem Proramm in Hohenems zu Gast. Der Künstler im VN-Interview.

Du gehst mit viel Humor mit deiner Behinderung um. Das war aber nicht immer so, zuerst war das seelische Loch. Kannst du uns kurz erzählen, wie bzw. wodurch dein persönlicher seelischer Aufschwung kam?

Es war eigentlich der Sport, der mich aus dieser tiefen Depression geholt hat. Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich diese körperliche Situation annehmen muss und dass ich mir ein Hilfsmittel  suchen sollte, das mir hilft, mich aus dem Tief zu holen. Durch Zufall kam ich dann zum Rollstuhl-Basketball und das hat mir tatsächlich aus der Depression herausgeholfen.

Du gibst auch Motivationsseminare für Menschen mit Behinderung. Wie ist die Idee dazu entstanden?

Witzig, dass jeder immer denkt, dass die Seminare für Menschen mit Behinderung sind. Die Seminare sind für Menschen ohne Behinderung. Ich mache eine Mischung aus Motivations- und Desensibilisierungkurs bzw. auch Team-Building-Maßnahmen. Zum Beispiel für das deutsche Rote Kreuz. Es sind aber auch Firmen, die mich buchen. Unlängst hatte ich eine Gruppe von Rechtsanwälten und Staatsanwälten, das war auch sehr interessant. Ein Teil des Kurses wird oftmals davon bestimmt, dass wir gemeinsam Rollstuhl-Basketball spielen. Dabei macht jeder die Erfahrung, wie es ist, in einem Rollstuhl zu sitzen. Es entsteht daraus eine neue, aber schöne Situation, die das Gefühl vermittelt, dass wir alle gleich sind.

Du machst Stand-up Comedy. Wann hast du gemerkt, dass du eine komödiantische Ader hast?

Das kam durch meine Motivationskurse. Mir hat es immer gefallen, die Leute zum Lachen zu bringen, weil ihnen dadurch die Unsicherheit genommen wurde und sie sich viel mehr getraut haben, sich an ein Thema heranzuwagen.  In meinen Seminaren habe ich oftmals die lustigen Erfahrungen aus meinem Leben erzählt und die Leute so zum Lachen gebracht. Als dann mal ein Teilnehmer nach dem Kurs zu mir kam und sagte: „Mensch, Herr Caglar, das war ja jetzt wie Comedy“, habe ich daraufhin ganz naiv bei meiner jetzigen Agentur angerufen und gesagt: „Hier ist der Tan aus Hildesheim. Ich bin Rollstuhlfahrer und möchte Stand-up machen.“ Da war dann erstmal zehn Sekunden Stille in der Leitung und dann haben wir beide gleichzeitig losgelacht.  So hat das dann seinen Anfang genommen.

Wo hat dein Humor Grenzen? Welche Art von Witz würdest du nie machen?

Ich finde, im Grunde genommen muss Comedy und Humor erstmal barrierefrei sein. Die Kunst, zu merken, wo der gute Geschmack anfängt und ab wann es geschmacklos wird, liegt im Ermessen des Künstlers. Die Künstler, die hier die richtigen Entscheidungen treffen, das sind dann die, die auch weiterkommen. Ich persönlich halte mich zum Beispiel beim Thema Religionen zurück, weil sich da viele Leute sehr schnell beleidigt fühlen.

Du modelst ja auch, warst sogar für die Berliner Fashion Week gebucht. War das immer ein persönlicher Traum von dir?

Nein, das war Zufall. Für die Basketball-Mannschaft wurden Porträtbilder gemacht und da hat mich der Fotograf angerufen und mich gefragt, ob ich mal Lust auf ein Shooting habe. Wir haben dann ein berühmtes Michael-Jordan-Bild nachgemacht, nur ich eben im Rollstuhl. Mit diesem Bild hat er dann bei einem Wettbewerb mitgemacht und das Bild hat tatsächlich gewonnen. Das hat dann irgendwie eine Welle geschlagen und es kamen plötzlich viele Anfragen, bis schlussendlich auch die Berliner Fashion Week auf mich zukam. Auch wenn das Modeln nicht mein großer Traum war, habe ich doch festgestellt, dass es Spaß macht, mal was ganz anderes zu machen.

Im April können wir dich bei uns in Vorarlberg erleben . . . 

Ja, das ist mein erster Österreich-Auftritt, darauf freue ich mich total. Das Wichtigste in meinem Programm ist die Interaktion mit meinem Publikum. Ich nehme die Leute mit auf eine Reise durch mein Leben, in dem ich immer wieder auf Leute treffe, die entweder sehr locker oder eben auch sehr unsicher auf Menschen mit Handicap reagieren. Diese Situationen werde ich von meiner Perspektive aus beleuchten. Es wird eine kontroverse, aber sehr lustige Reise.  

ZUR PERSON

Tan Caglar

Geboren 12. Juli 1980

Wohnort Hildesheim

Lebensmotto “Normal kann jeder”

Hamburger Comedy Pokal


Tan Caglar, 12. April, 20 Uhr, Löwensaal Hohenems. Karten: Musikladen

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