“Goleador” und “Matador” – “K.u.K”-Reminiszenzen in Wien

Ticker / 21.08.2019 • 20:41 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
"Goleador" und "Matador" - "K.u.K"-Reminiszenzen in Wien

Trifft der “Goleador” den “Matador”, dann sind die “K.u.K”-Fußball-Reminiszenzen nicht weit. Mario Kempes und Hans Krankl schwelgten am Mittwochabend anlässlich des 125. Geburtstags des “First Vienna Football Clubs 1894” im Instituto Cervantes, dem Spanischen Kulturinstitut, in Wien in (teilweise) gemeinsamen Erinnerungen. Kempes stellte dort zudem seine Autobiografie vor.

Während Krankls spanischer Spitzname “Goleador” schlicht “Torjäger” bedeutet, ist die Übersetzung von Kempes’ Pseudonym “Matador” (so lautet auch der Titel seines Buches) etwas diffiziler. Es bezeichnet den Stierkämpfer, der dem Bullen in der Arena den Todesstoß versetzt. Im Fußball könnte man – mit einem Schuss Euphemismus – von einem “Vollstrecker” sprechen (oder dem Gegenteil vom “Chancentod”) .

Der 66-jährige Krankl und der etwas mehr als ein Jahr jüngere Kempes schrieben fast zeitgleich Fußballgeschichte – Bei der WM-Endrunde in Argentinien 1978. Johann K. machte am 21. Juni in Cordoba den legendären ORF-Radioreporter Edi Finger “narrisch”, weil er Österreich – in einem für das ÖFB-Team eigentlich schon belanglosen Match – mit zwei Toren zu einem 3:2-Sieg gegen den amtierenden Weltmeister Deutschland schoss. Die alpenländische Schadenfreude war groß: Die deutschen Stars wie Sepp Maier, Hans(i) Müller, Karl-Heinz Rummenigge oder Rolf Rüssmann mussten damit gleichzeitig mit Willy Kreuz, Herbert Prohaska, Bruno Pezzey und Co. die Heimreise nach Europa antreten.

Wenige Tage später wurde Mario Alberto Kempes in Buenos Aires zu Argentiniens Volkshelden, als er im Finale gegen die vom Wiener Ernst Happel gecoachten Niederlande ebenfalls zweimal traf und dem Heimteam mit einem 3:1-Erfolg nach Verlängerung den ersten WM-Titel bescherte. 2010 wurde das “Olympiastadion” der Stadt Cordoba in “Estadio Mario Alberto Kempes” umbenannt. Cordoba ist auch Kempes’ Heimatprovinz.

Zu ihren Glanzzeiten kickten der 43-fache argentinische Internationale und der 69-malige ÖFB-Teamstürmer gleichzeitig in Spanien. Kempes mit Unterbrechungen zwischen 1976 und 1986 bei Valencia sowie Hercules Alicante und Krankl von 1978 bis 1980 beim FC Barcelona. Mit einem kurzen Intermezzo, das den Erz-Rapidler ausgerechnet zur Vienna führte, wo sechs Jahr später Kempes anheuerte. Am 4. April kreuzten sich dann sogar ihre Klingen. Die Blau-Gelben schlugen den Sportclub (wo Krankl mittlerweile sein Fußball-Gnadenbrot bekam) in einem zum damaligen “Aufstiegs-Play-Off” zählenden “Kleinen Wiener Derby” vor stattlichen 11.000 (manchen Quellen zufolge sogar 15.000) Zuschauern mit 1:0.

Am Mittwoch erinnerte sich Argentiniens Weltstar auch daran, wie er im Herbst seiner Karriere in die Niederungen der österreichischen Zweitklassigkeit kam. “Am Anfang war es schon gewöhnungsbedürftig, wie familiär hier alles war. Zu den Spielen kamen üblicherweise wenige Leute und zwar immer dieselben.” Vor allem das erwähnte “Mini-Derby” (O-Ton Kempes) auf der Hohen Warte blieb dem Südamerikaner, der letztlich bis 1992 auch beim VSE St. Pölten und dem Kremser SC kickte, aber unvergesslich. “Da haben wir den großen Vereinen wie Rapid, Austria oder dem FC Tirol die Show gestohlen. Die Zeitungen schrieben tagelang vor allem von diesem Match.”

Seither habe sich im internationalen Fußball viel geändert, waren sich “K.u.K” am Mittwoch einig. Krankl: “Heute verdienen die Stars viel, viel mehr als wir damals. Aber wenn du Familie hast, dann hast Du es heute viel schwieriger. Ich bin in Barcelona im Zentrum mit der Frau und den Kinder spazieren gegangen. Das wäre heute unmöglich. Damals haben die Leute bloß gesagt: ‘Hallo Hansi, wie geht’s?’ Aber mehr war da nicht. Heute hast du als Fußballstar überall Journalisten, die dich auf Schritt und Tritt verfolgen.”

Auch am Feld selbst sei vieles anders geworden, meinte Kempes und erinnerte sich an das Finalspiel gegen die Niederlande: “Es war eine sehr harte Partie, vor allem mit vielen versteckten Fouls. Das wäre so heute auch gar nicht mehr möglich, weil überall Kameras stehen, die alles ganz genau sehen.”

Krankl nützte seine mutig akzentuierten Spanisch-Kenntnisse auch dazu, um Kempes Rosen zu streuen: “Er war zweifellos der beste Spieler der WM 1978”. Diese sei aber auch aus historisch-politischer Sicht speziell gewesen, warf eine Besucherin am Mittwochabend im Instituto Cervantes ein, weil in Argentinien zu dieser Zeit eine blutige Militärjunta unter General Jorge Rafael Vidal an der Macht war.

Ob die Diktatur für die Spieler nicht eine Belastung gewesen sei? “Nein”, wehrte Kempes kategorisch ab, “damals nicht und auch heute nicht. Wir spielten 1978 nicht für Vidal, wir spielten einfach für Argentinien. Es hat mich aber immer geschmerzt, wenn der Fußball mit der Politik verquickt wurde. Wir Spieler konnten ja nichts dafür, dass es in Argentinien die Militärdiktatur gab. Und General Videla haben wir ja nie zu Gesicht bekommen. Außer bei der Pokalübergabe…”

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