Im Wettbewerb von Cannes: Reiche Leute und ihre Probleme

Während an der Croisette alles über “Once upon a Time… in Hollywood”, den neuen Film von Quentin Tarantino, spricht, gehen seine Konkurrenten mit Filmen an den Start, die im Wettbewerb vor allem die Diversität des Weltkinos beweisen. Tatsächlich könnte das, was der US-Amerikaner Ira Sachs und der Südkoreaner Bong Joon Ho aus ähnlichen Ausgangslagen machen, nicht unterschiedlicher sein.
In beiden Fällen steht eine sehr reiche Familie im Zentrum des Geschehens. “Frankie” ist der Kosename einer prominenten alternden Schauspielerin, die weiß, dass ihre Tage aufgrund ihrer wieder zurückgekehrten Krebserkrankung gezählt sind und Familie, Freunde und Ex-Mann im portugiesischen Sintra versammelt hat. Isabelle Huppert ist die Idealbesetzung für Sachs Protagonistin: zerbrechlich und unnahbar. Man könnte auch sagen: Der französische Star, der in Kürze auch bei den Wiener Festwochen auf der Bühne stehen wird, wirkt wie immer.
Was der 53-jährige Regisseur (“Little Men” u.a.) daraus macht, bleibt allerdings an der Oberfläche wie die großformatigen Upper-Class-Gemälde seines Landsmanns Alex Katz. Trotz der Anwesenheit des Todes geht es letztlich vor allem um die Luxusprobleme reicher Leute. Da fliegt schon mal ein 40.000 Euro teures Goldkettchen in den Wald, da wird mit zerfurchten Stirnen darüber diskutiert, welche der vielen Domizile man wohl aufgeben solle, um sich endlich ein wenig auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ein Rat, den Ira Sachs durchaus ebenfalls beherzigen hätte können. So jedoch wirkt “Frankie” wie ein Remake eines vom portugiesischen Fremdenverkehrsamt gesponserten Spätwerks von Woody Allen.
Auch der erfolgreiche Unternehmer Park hat keine Geldsorgen. Das Haus, das er mit seiner Familie bewohnt, ist schicke Reichen-Architektur par excellence und gleicht seinen Bewohnern: tolle Fassade, innere Leere. Doch seine Geschichte erzählt Bong Joon Ho (49, “The Host” u.a.) über das Kontrastprogramm, die unter ärmlichen Verhältnissen in einer Souterrain-Wohnung lebende Familie von Ki-taek. Zunächst bekommt man den Eindruck, es handle sich um faule Tagediebe, doch als sich über einen Freund des Sohnes eine Chance zum Aufstieg bietet, entwickeln alle Familienmitglieder eine erstaunliche Energie und Zielstrebigkeit. Sie befallen wie “Parasiten” (“Gisaengchung” ist der Originaltitel des Films) die reiche Familie.
Der Sohn bewährt sich als Englischlehrer der Tochter Parks, und schon bald ist dank raffinierter Betrugs- und Täuschungsmanöver auch der Rest der Familie als Chauffeur, Haushälterin und Kunst-Therapeutin engagiert, ohne dass die Parks die familiären Bande zwischen ihren neuen Angestellten ahnen. Die längste Zeit verfolgt man eine wirklich lustige, gut gemachte Komödie, doch dann folgen einige unerwartete Brüche, die den Charakter des Films dramatisch verändern. Und das Souterrain erweist sich als die bessere Schule im Überlebenskampf.
Schwer zu sagen, ob diese “Parasiten” sich auch in der Jury einnisten können. Das letzte Drittel des Wettbewerbs verspricht jedenfalls noch viel Spannung. Nach Quentin Tarantino stehen u.a. noch die starken Franzosen Arnaud Desplechin, Xavier Dolan und Abdellatif Kechiche sowie der Italiener Marco Bellocchio am Start.