Jazzmusiker Skorupa entwirft eine “musikalische Landkarte”

Dieser Ritterschlag hat schöne Tradition: Zur Eröffnung der Hauptbühne beim Jazzfestival Saalfelden wird der jungen heimischen Szene Platz eingeräumt. Den Kompositionsauftrag erhielt heuer Saxofonist und Klarinettist Leonhard Skorupa, der am 22. August mit einem Quintett zum “Sonic Feast” bittet. “Ich möchte ein Fest für die Ohren schaffen. Mit Entree und Nachspeise”, machte der Musiker Lust auf das “zusammenhängende Set mit festlichem Charakter”.
Kreativer Anstoß
Schon mehrfach war der viel beschäftigte Skorupa in Saalfelden zu Gast, erst im Jänner spielte er beim Winterfestival “3 Tage Jazz” mit der Formation AHL6. Nun die Eröffnung im Sommer bestreiten zu können, sei “natürlich eine große Sache”, gerade für Jazzmusiker aus dem Impro-Bereich. “Es gibt nicht so viele größere Kompositionsaufträge von Festivals, was eigentlich schade ist”, betonte Skorupa im APA-Interview. “Es ist eigentlich eine gute Idee und ein kreativer Anstoß, andere Sachen auszuprobieren und sich intensiv mit einer gewissen Thematik über einige Monate hinweg zu beschäftigen, mit dem Ziel der Uraufführung von neuem Material.”
Ausprobieren ist ein gutes Stichwort, beweist Skorupa doch immer wieder seinen Variantenreichtum. Erst vergangenes Jahr erschien die CD “Baumläufer”, für die er mit einem Oktett sowie unterstützt von Schauspielerin Maria Hofstätter die Texte von Gert Jonke in den Fokus rückte. Richtig groß wird es beim Sketchbook Orchestra, das in kleinerer Form als Quartett gerne Genregrenzen sprengt. Oder man taucht ein in den offenen Gestus des Trios Znap, bei dem Groove und Melodie stets neue Verbindungen eingehen. Und das ist nur eine kleine Auswahl seines bisherigen Schaffens.
Eine eigene Topografie
Wird es nun in Saalfelden eine Art Best-of davon geben? “Ich versuche gerade, mich nicht zu plagiieren”, verneinte der Musiker entschieden, “sondern neue Wege und einen neuen Zugang zu schaffen, wie ich Musik strukturiere und schreibe. Also genau das Gegenteil sozusagen.” Dabei gehe es weniger darum, sich selbst und seinen Mitmusikern virtuose Parts auf den Leib zu schreiben, als vielmehr allen Beteiligten Raum zu geben. “Ich bin gerade am Tüfteln, eine musikalische Landkarte zu zeichnen – im metaphorischen Sinn. Die Topografie ist einerseits sehr ausgeprägt, es sind Sachen sehr klar ausgeschrieben, aber andererseits auch relativ offen.” In dem einstündigen Set soll sehr viel möglich sein. “Es geht darum, das größte Ausmaß an Kreativität und kreativem Input herauszukitzeln.”
Als Partner hat er sich dafür Silke Eberhard (ebenfalls Saxofon/Klarinette), Kirke Karja (Klavier), Robert Landfermann (Bass) und Leif Berger (Schlagzeug) geholt. “Sie sind alle in dieser modernen, kreativen Jazzbubble unterwegs. Gerade wenn man nicht zu rigide alles ausschreibt, nicht nur auskomponierte Strukturen im Kopf hat, macht das denen Spaß”, gab sich der Bandleader überzeugt. Dennoch werde es spannend: “Wir proben drei Tage davor intensiv, nehmen da auch gleich eine Platte auf. Das Material muss also so klar sein, dass es gleich auch funktioniert und man nicht noch herumdiskutiert. Also brauche ich eine klare Form im Kopf.”
Reduktion als Maßstab
Eine der größten Schwierigkeiten sei dabei das Aufschreiben der Musik, besonders wenn die Freiheit für die einzelnen Stimmen möglichst groß sein soll. “Freie Nummern mit viel Improvisation aufzuschreiben, damit sich alle auskennen, ist oft viel zeitraubender, als wenn man von vorne bis hinten eine Partitur schreibt. Was lustig ist, weil die Information eigentlich viel weniger ist. Aber dafür muss sie ganz zielgerichtet sein”, gab Skorupa zu bedenken. Seine Ideen, Skizzen und Entwürfe wolle er bis zum Schluss weiter reduzieren. “Das ist ein cooler Zugang”, verwies er etwa auf die Jazzlegende John Coltrane. “Er hat das ganze ‘Love Supreme’-Album auf einen Querformat-A4-Zettel geschrieben. Das ist schon wahnsinnig reduziert.”
In der Saison 2020/21 war Skorupa für die Stageband im Wiener Jazzclub Porgy & Bess verantwortlich. Eine tolle Sache, wäre da nicht Corona dazwischengekommen. Von acht Konzerten fanden nur drei vor Publikum statt. Der Musiker und Komponist sieht die Sache rückblickend trotzdem betont positiv. “Die Leute waren extrem heiß aufs Spielen und Kommunizieren, weil es ja nichts gegeben hat.” Zudem habe er viel Zeit gehabt fürs Schreiben, so sei wirklich jeden Monat ein neues Programm für eine neue Formation entstanden. “Das war mein Ziel und das habe ich radikal durchgezogen”, lachte er. “Aber natürlich sind Konzerte ohne Publikum sehr komisch. Was ich aber gelernt habe war, wie man Bands leitet und wie man aus wenig Probenzeit das Maximum herausholt.” Wohl nicht die schlechteste Voraussetzung für einen ansprechenden Abend in den Pinzgauer Bergen.
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E – 45. Jazzfestival Saalfelden von 21. bis 24. August, Eröffnung der Hauptbühne am 22. August um 17.45 Uhr von Skorupa 5 mit “Sonic Feast”; weiteres Programm und Tickets unter )