Leistungsbilanz negativ – Aufgaben werden nicht geringer

Österreichs Leistungsbilanz ist 2021, dem ersten Jahr, das ganz von der Coronapandemie geprägt wurde, erstmals seit zwei Jahrzehnten negativ ausgefallen. Das Minus belief sich auf 2,1 Mrd. Euro, 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. “Gelinde gesagt werden die Herausforderungen nicht geringer”, verwies Nationalbank-Vizechef Gottfried Haber am Freitag auf geopolitische und pandemische Unsicherheiten. Das Defizit könne sich aber auch rasch wieder in den positiven Bereich drehen.
Die Importe (+23 Prozent) stiegen 2021 deutlich stärker als die Exporte (+18 Prozent), was zur negativen Leistungsbilanz führte. Diese bildet neben klassischen außenhandelsstatistischen Daten auch Wertschöpfungsketten ab. Im Jahr 2020 war noch ein Überschuss in Höhe von 7,2 Mrd. Euro verzeichnet worden.
Drohen nun viele Jahre negativer Leistungsbilanzen? “Es wird viel daran hängen, wie sich der Reiseverkehr entwickelt”, sagte Haber bei der Leistungsbilanz-Präsentation vor Journalisten in Wien. “Der Leistungsbilanzsaldo ist negativ, aber nicht so extrem, dass er nicht auch schnell wieder positiv werden kann”, beruhigte er. Die Volatilität wesentlicher Einflussfaktoren sei aber immens. “Alles hängt davon ab, wie sich die geopolitische und pandemische Lage entwickelt.” Neben realen Effekten wie der Reisewirtschaft fielen auch Preise und Bewertungseffekte beim Saldo ins Gewicht, so der Notenbanker.
Nach dem historischen Einbruch ab 2020 war er im Vorjahr erstmals seit vielen Jahren auch nicht mehr der wichtigste Dienstleistungsexport. Der Bereich Technologie hat den Reiseverkehr überholt. Technologie-Dienstleistungen machten voriges Jahr 17,7 Mrd. Euro aus (nach 15,5 Mrd. Euro 2019). Der Tourismus brach im Vorjahr um 57 Prozent von 20,5 Mrd. Euro auf 8,8 Mrd. Euro ein. Dabei wirkten Reisende aus Deutschland noch stützend.
Ausschlaggebend für das Leistungsbilanzdefizit war neben des Reiseverkehrseinbruch eine Drehung ins Defizit in der Güterbilanz vor allem durch verteuerte Energieimporte (-1,7 Mrd. Euro). Güterexporten in Höhe von 168,5 Mrd. Euro (+22 Prozent gegenüber 2020) standen Importe von 170,2 Mrd. Euro (+26 Prozent) gegenüber. Mehr als die Hälfte des Güter- und Dienstleistungshandels entfiel auf den Euroraum, ein Fünftel auf die Länder Zentral-, Ost- und Südosteuropas.
Die im österreichischen Außenhandel wichtigste Warengruppe waren Maschinen und Fahrzeuge, die rund ein Drittel der Ein- und Ausfuhren von Gütern ausmachten. Die Güterexporte legten gegenüber dem Vorjahr um 13 Prozent zu, die Güterimporte um 17 Prozent. In allen Warengruppen gab es deutliche Zuwächse nicht nur im Vergleich zum Vorjahr, sondern auch gegenüber 2019. Die hohen Zuwachsraten bei Einfuhren von Erdöl und Erdgas sowie bei Rohstoffen sind auf starke Preissteigerungen im Jahr 2021 zurückzuführen.