Ringen um milliardenschwere EU-Agrarreform in Brüssel

Der Streit um die Reform der milliardenschweren EU-Agrarpolitik geht möglicherweise in die entscheidende Phase. Am Mittwoch kommen die EU-Landwirtschaftsministerinnen und -minister zusammen. Zudem streiten Unterhändler aus Europaparlament und den EU-Ländern um die letzten Details des 387-Milliarden-Euro-Pakets. Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) forderte “eine klare Zustimmung für das Anheben der Umweltleistung”.
Konkret sollten 25 Prozent der Agrarmittel für Umweltprogramme in der ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), den Direktzahlungen, zweckgewidmet werden, teilte Köstinger im Vorfeld des Treffens mit ihren EU-Amtskollegen mit. Der Rat fordert offiziell 20 Prozent, das EU-Parlament 30 Prozent.
“Wir können jetzt die Saat für eine nachhaltige Landwirtschaft in ganz Europa säen. Die Verankerung von 25 Prozent beim Ökoschema wären ein großer Durchbruch, Österreich zeigt seit Jahren vor, wie es gehen kann”, so Köstinger. Die 25 Prozent würden alleine in der ersten Säule der GAP 72,8 Milliarden Euro für Klima- und Umweltmaßnahmen in der Landwirtschaft bedeuten.
Die GAP besteht gewissermaßen aus zwei Töpfen. Zum einen werden jährlich Gelder ausgezahlt, die in den sogenannten Direktzahlungen zusammengefasst werden – die sogenannte erste Säule. Sie machen ein Drittel des gesamten EU-Budgets (2021-2027) aus und werden zumeist anhand der Fläche eines Betriebs ausgezahlt. Zum anderen gibt es Geld für die Entwicklung des ländlichen Raums – die zweite Säule der sogenannten ländlichen Entwicklung. Das sind Mittel, die für meist siebenjährige Programme zur Verfügung stehen und etwa für langfristige Umweltmaßnahmen genutzt werden können.
Die abschließenden Verhandlungen zwischen der EU-Kommission, EU-Parlament und den EU-Staaten über die GAP bis 2027 befinden sich auf den letzten Metern. Am Dienstag haben sie begonnen und dauern bis spätestens Donnerstag an. Bei dem Treffen der EU-Landwirtschaftsminister am Mittwoch und Donnerstag in Brüssel könnte somit eine Einigung gleich formell abgesegnet werden. Dann fehlt nur noch die formelle Zustimmung des EU-Parlaments.
Der Vorsitzende des Agrarausschusses im Europaparlament, der deutsche EU-Politiker Norbert Lins, zeigte sich nach dem Treffen am Dienstag verhalten optimistisch. “Nach über elf Stunden Verhandlungen sind wir uns bei manchen Punkten sehr nahe gekommen”, teilte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit. Er glaube an die Möglichkeit einer Einigung, wenn die EU-Länder dem Parlament in Sachen Nachhaltigkeit noch etwas entgegenkämen.
Köstinger zeigte sich unterdessen optimistisch. “Ich bin überzeugt davon, dass wir uns in den nächsten Tagen und Nächten einigen werden”, sagte sie am Mittwoch. “Wir brauchen dringend eine Einigung”, betonte Köstinger. Die Agrarreform sei bereits massiv in Verzug, Bauern bräuchten Planungssicherheit.
Neben dem Ökoschema, auch Ökoregelung oder Eco-Schemes genannt, gibt es für Österreich auch noch andere Maßstäbe. Dazu gehöre die Vermeidung von zusätzlicher Bürokratie für die Landwirte, die Anerkennung der Umweltleistungen Österreichs in den vergangenen Jahrzehnten, ein stärkeres Engagement im Bereich von Tierwohlmaßnahmen und die Absicherung der Bergbauernförderung, erklärte Köstinger.
Die Umweltorganisation Greenpeace machte unterdessen am Mittwoch mit einer Farbaktion auf den aus ihrer Sicht mangelnden Umweltschutz bei der Reform der EU-Agrarpolitik aufmerksam. Konkret bemängelte Greenpeace laut dpa, dass mit der derzeit in Brüssel verhandelten Neugestaltung der Agrarpolitik am Ende sogenanntes Greenwashing betrieben werde. Darunter versteht man, wenn es zwar Bekenntnisse zum Thema Nachhaltigkeit gibt und sich damit Menschen, Institutionen oder Unternehmen einen grünen Anstrich geben, dann aber nicht stringent danach handeln.
Die Umweltschützerinnen und Umweltschützer verteilten vor dem Haupteingang des Parlaments in Brüssel grün gefärbtes Wasser, wie Greenpeace mitteilte. Auf Bildern war zu sehen, wie neongelbe Banner mit verschiedenen Aufschriften – darunter “Stoppt Greenwashing europäischer Landwirtschaft” – präsentiert wurden.
Ebenfalls Kritik äußerte der FPÖ-EU-Abgeordneter Roman Haider. Es fehle “an echtem Reformwillen, um den Bauern ein nachhaltiges und umweltfreundliches Wirtschaften zu ermöglichen”, so Haider in einer Aussendung. “Die GAP ist noch immer auf große Betriebe ausgerichtet, obwohl kleinere und mittlere Agrarbetriebe nachhaltiger und umweltfreundlicher wirtschaften und die lokale Lebensmittelversorgung sicherstellen.”