US-Notenbank dürfte Zinsen stark erhöhen
Die US-Notenbank Federal Reserve dürfte ihren Kampf gegen die hohe Inflation an diesem Mittwoch entschlossen fortsetzen und möglicherweise sogar intensivieren. Eine weitere Zinsanhebung um 0,5 Prozentpunkte gilt an den Finanzmärkten als ausgemachte Sache. Noch deutlichere Zinsschritte um 0,75 Punkte oder gar einen ganzen Prozentpunkt werden mittlerweile nicht mehr ausgeschlossen. Die Notenbank wird ihre Entscheidung am Mittwochabend um 20.00 Uhr (MESZ) bekanntgeben.
Die hohe Inflation in den USA zwingt die Zentralbank zu einem immer entschlosseneren Vorgehen. Hatten viele Fachleute damit gerechnet, dass sich die Teuerung etwa gegen Jahresmitte wieder etwas abschwächen dürfte, ist zuletzt das Gegenteil eingetreten. Im Mai stieg die Inflationsrate auf 8,6 Prozent und damit auf einen rund 40-jährigen Höchststand. Analysten hatten dagegen mit einer leichten Abschwächung gerechnet.
Hauptgründe für die hohe Inflation sind stark steigende Preise für Energie und viele Rohstoffe. Als Auslöser gilt der Krieg Russlands in der Ukraine. Hinzu kommen anhaltende Probleme in den internationalen Lieferketten, die ebenfalls für starke Preiszuwächse sorgen. Die Notenbank kann dieser Entwicklung zwar nicht direkt entgegenwirken. Sie kann aber verhindern, dass die Teuerung auf andere Wirtschaftsbereiche übergreift und zu Zweitrundeneffekten wie stark steigenden Löhnen führt. Als entscheidendes Gegenmittel gilt die Verankerung der Inflationserwartungen.
Die Fed hat ihre Geldpolitik bereits gestrafft, nach Meinung vieler Analysten allerdings zu spät damit begonnen. Heuer wurde der Zins zweimal um insgesamt 0,75 Prozentpunkte angehoben. Der Leitzins liegt aktuell in einer Spanne von 0,75 bis 1,0 Prozent. Ihre Wertpapierkäufe haben die Währungshüter schon seit längerem eingestellt und auch damit begonnen, ihre aufgeblähte Bilanz schrittweise zurückzuführen.
Unter Analysten gilt eine weitere Anhebung des Leitzinses um 0,5 Punkte als Konsens. In den vergangenen Tagen haben aber immer mehr Experten ihre Erwartungen erhöht. Die Analysten der Bank ING wollen sogar eine Straffung um einen ganzen Prozentpunkt nicht mehr ganz ausschließen. An den Finanzmärkten gehen die Erwartungen klar in Richtung einer Anhebung um 0,75 Punkte.
“Es wird immer offensichtlicher, dass die Notenbanker der dynamischen Inflationsentwicklung deutlich hinterherlaufen”, sagt Carsten Mumm, Chefökonom der Privatbank Donner & Reuschel. Zugleich nehme die Gefahr einer Rezession in den USA zu. Jeder Tag mit anhaltend hohen Preissteigerungen sei eine Belastung für den privaten Konsum. Die positiven Effekte des nahezu voll ausgelasteten Arbeitsmarkts und der deutlich steigenden Nominallöhne relativierten sich damit.
Auch Allison Boxer, US-Ökonomin vom Vermögensverwalter Pimco, sieht ein Risiko, dass die Fed den Straffungsbogen überspannt. Auf diese Gefahr weist ebenfalls Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank, hin. Historisch hätten drei von vier Fed-Straffungsphasen die US-Wirtschaft in eine Rezession geführt, sagt der Ökonom. Mit anderen Worten: Es gab in den vergangenen Jahrzehnten nur wenige Episoden mit steigenden Zinsen, die nicht mit wirtschaftlichem Schaden einhergingen. An den Finanzmärkten werden derartige Rezessionsszenarien zunehmend eingepreist.