Bregenz darf nicht Chemnitz werden

Die monumentale Skulptur „Karl Marx Light“ von Hannes Langeder stand kurz am Kornmarktplatz.
Bregenz Am vergangenen Wochenende wurde der Kornmarktplatz in Bregenz zur Bühne für eine ebenso poetische wie ironische Intervention: Mit der Performance missingLINKS inszenierte das Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung gemeinsam mit dem Kontaktchor eine theatrale Miniatur, die Karl Marx in ein neues, luftgefülltes Licht rückte.

Im Zentrum der etwa 30-minütigen Aufführung stand die monumentale, doch federleichte Skulptur „Karl Marx Light” des Linzer Künstlers Hannes Langeder: ein neun Meter hoher, goldglänzender Marx-Kopf aus Luft und Kunststoff. Mit einem Gewicht von rund 150 Kilogramm bildet er ein ironisches Gegengewicht zum 40 Tonnen schweren Original in Chemnitz. Während Granit dort Ernsthaftigkeit verkörpert, bringt Langeder mit seiner Arbeit Leichtigkeit ins Spiel: Der Marx unserer Zeit schwebt – nicht nur physisch, sondern auch ideologisch – durch eine neoliberale Gegenwart, die sich in Widersprüchen verheddert.

Diese Widersprüche greift die Performance auf. Wenn der Kontaktchor das Lied „Kapitalismus“ von PeterLicht anstimmt, knirscht es im Gebälk des Wirtschaftssystems. Das große Schiff namens Kapital kracht gegen die Brandung der Vernunft – und der Chor, ganz in Alltagskleidung und mit ernsten Gesichtern, verleiht der Kapitalismuskritik eine humorvolle, zugängliche Note.

Doch missingLINKS bleibt keine agitatorische Anklage. Vielmehr entwickelt sich die Intervention zu einem augenzwinkernden Requiem auf ein System, das sich selbst für unersetzlich hielt. Der Marx-Kopf wird zum Symbol für die Paradoxien unserer Zeit: monumental und hohl, glänzend und leer, präsent und doch vergänglich – am Ende entweicht ihm schlicht die Luft.

Flankiert wurde das Ganze vom „Marxandise“-Stand, an dem sich revolutionäre Mitbringsel wie recycelte Marx-Köpfe, symbolische Fäuste und ironische Slogans zu absurden Preisen erwerben ließen. Ein kluges Spiel mit linker Rhetorik und kapitalistischer Verkaufslogik – ganz im Geist der Veranstaltung.

missingLINKS, das am 18. und 19. Juli jeweils um 18 Uhr nochmals aufgeführt wird, ist kein lauter Protest, sondern ein poetisches Flüstern. Es ist kein Manifest, sondern ein atmosphärischer Zwischenruf – mit Humor und dem goldenen Hauch einer Idee.