Delphinas Mut und Menschlichkeit

Kultur / HEUTE • 13:32 Uhr
Delphinas Mut und Menschlichkeit
Lydia Arantes und Sarah Kühne möchten die Geschichte ihrer Großmutter als Graphic Novel erzählen. Nachlass Familie Burtscher

Ein Graphic-Novel-Projekt über Courage, Erinnerung und weiblichen Widerstand.


Sonntag Delphina Burtscher wuchs als zweitjüngstes Kind einer großen, armen Bergbauernfamilie in Sonntag im Großen Walsertal auf. Was wie eine stille Dorfgeschichte beginnt, entwickelt sich in den 1940er Jahren zu einem erschütternden Kapitel des Widerstands gegen das NS-Regime. Heute, mehr als acht Jahrzehnte später, möchten ihre Enkelinnen, Lydia Arantes und Sarah Kühne, diese Geschichte als Graphic Novel erzählen, um Delphinas Mut und Menschlichkeit für kommende Generationen sichtbar zu machen. Ein Crowdfunding soll die letzten Mittel für die aufwendig gestaltete Veröffentlichung sichern.

Delphina war kaum 18 Jahre alt, als sie sich in einer Situation wiederfand, die ihren Lebenshorizont bei Weitem überstieg. Zwei ihrer Brüder, Willi und Leonhard, sowie ihr Verlobter Martin kehrten nach einem Heimaturlaub nicht mehr an die Front zurück. Stattdessen bildeten sie im Verborgenen eine kleine Widerstandsgruppe. Ein Jahr lang versorgte Delphina die drei Männer mit Essen und Kleidung, half beim Verstecken, hielt Wache und riskierte dabei täglich ihr Leben. Der Verrat eines Nachbarn beendete dieses fragile Gleichgewicht: Die gesamte Familie wurde 1944 in „Sippenhaft“ genommen. Willi und Martin wurden vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und im Dezember desselben Jahres in Graz enthauptet. Leonhard gelang die Flucht.


Delphina war zu dieser Zeit schwanger. Im September 1944 brachte sie das gemeinsame Kind zur Welt und durfte einige Monate bei ihm bleiben. Im März 1945 wurde sie ins Jugendstraflager Rothenfeld bei München deportiert. Das wenige Monate alte Kind blieb bei der Mutter des hingerichteten Martin zurück. Es sind Geschichten wie diese, fragil, schmerzhaft und dennoch von Mut getragen, die meist nur in Familien weitergegeben werden und kaum Eingang in die öffentliche Erinnerung finden. Genau hier setzt das Projekt an. Unter dem Titel „Delphina” entsteht eine 130-seitige Graphic Novel, die Delphinas Perspektive mit der ihrer Enkelinnen verwebt. Fotografische Spurensuche, Erinnerungsobjekte und historische Quellen formen einen transgenerationalen Erzählbogen, der sowohl die Ereignisse der NS-Zeit als auch die Frage nach dem Erinnern in der Gegenwart beleuchtet. Begleitend dazu erscheint im Sommer 2026 eine Ausstellung im vorarlberg museum. Die Umsetzung des Buches ist sowohl künstlerisch als auch historisch anspruchsvoll. Für Illustrationen, Textdramaturgie, Recherche, Gestaltung und Herstellung sind rund 75.000 Euro veranschlagt. Zwei Drittel dieser Summe wurden durch diverse Fördergeber wie die Gemeinden Nenzing und Sonntag, die Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, die AK Vorarlberg, der Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus sowie der Zukunftsfonds der Republik Österreich bereits gesichert.


Die Illustratorin Anna Stemmer-Dworak zeichnet rund zweihundert Bilder von Hand, Tobias Fend ist für die dramaturgische und sprachliche Form zuständig, Anuschka Fink gestaltet das Gesamtbild und Historiker steuern begleitende Fachtexte bei. Alle sollen fair entlohnt werden, betonen die Initiatorinnen. Warum dieses Projekt unterstützen? Vielleicht, weil es eine Geschichte ist, die nicht in Geschichtsbüchern steht, aber stehen sollte. Vielleicht, weil Delphinas Handeln zeigt, dass Widerstand auch im Kleinen beginnt. Und vielleicht, weil ein gezeichnetes Buch eine Form der Erinnerung schafft, die berührt und über Generationen hinweg bestehen bleibt. Unterstützen kann man das Projekt auf der Homepage mit.einander.at/delphina.