Tolle Ausblicke und ein verliebter Dirigent zum Festspielfinale

Kultur / 11.08.2022 • 18:45 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
In der neu gegründeten Orchesterakademie der Bregenzer Festspiele sind unter der Leitung von Daniel Cohen 85 junge Musikerinnen und Musiker tätig. <span class="copyright">Stiplovsek</span>
In der neu gegründeten Orchesterakademie der Bregenzer Festspiele sind unter der Leitung von Daniel Cohen 85 junge Musikerinnen und Musiker tätig. Stiplovsek

Mit „Armida“, „Melencolia“ und der Orchesterakademie stehen die Bregenzer Festspiele vor weiteren Premieren und Uraufführungen.

Bregenz Die Vielfalt des Programms mache die Bregenzer Festspiele zu dem, was sie sind, erklärte Intendantin Elisabeth Sobotka angesichts der finalen Festspielwoche, in der eine Opernuraufführung ansteht, in der im Opernstudio Haydns „Armida“ zur Aufführung kommt und in der die jungen Musikerinnen und Musiker der Orchesterakademie vor das Publikum treten.

Unser Motor ist die Seebühne, aber wir investieren in den Gesamtbereich des Musiktheaters.

Elisabeth Sobotka, Festspielintendantin

 „Madame Butterfly“, die neue Produktion auf der Seebühne und das Herzstück des Unternehmens, wurde mittlerweile von mehr als 100.000 Besuchern gesehen. Es sei bewusst ein Gegenentwurf zum bewegten „Rigoletto“ gewählt und die Inszenierung aus der Stärke der Musik entwickelt worden. „Können wir dem Publikum so viel Fantasie zutrauen, dass es nicht immer nur das Spektakel auf dem See erwartet“, lautete die Frage. Die meisten dürften sie mit einem Ja beantwortet haben. Der niedrige Wasserstand aufgrund der Witterung beeinträchtigt vorläufig im Übrigen nur das optische Ergebnis, die Landschaftszeichnung als zentrales Bühnenbild sollte zwar Wellenberührung haben, aber noch muss keine Szene verändert werden: „Für die Welt ist es ein Problem, aber wir können noch weiterspielen und hoffen, dass im nächsten Jahr mehr Wasser da ist“, erklärte die Intendantin dazu.

Die jungen Musikerinnen und Musiker kommen aus dem deutschsprachigen Raum, Italien und Südamerika und werden im Übrigen auch ein Werk des Vorarlbergers Herbert Willi zur Uraufführung bringen. <span class="copyright">Stiplovsek</span>
Die jungen Musikerinnen und Musiker kommen aus dem deutschsprachigen Raum, Italien und Südamerika und werden im Übrigen auch ein Werk des Vorarlbergers Herbert Willi zur Uraufführung bringen. Stiplovsek

Maestro Daniel Cohen kennt die Verhältnisse auf dem See, er war im Vorjahr einer der „Rigoletto“-Dirigenten, hatte mit „Don Quichotte“ auch eine Opernproduktion im Festspielhaus geleitet und steht heuer der Orchesterakademie vor. 360 Musikerinnen und Musiker aus dem deutschsprachigen Raum, aber auch aus Italien und Südamerika, hatten sich beworben, 85 bauen mit ihm „eine musikalische Identität“, wie Cohen die Arbeit charakterisiert. Es handle sich um einen Entwicklungsprozess lauter Vorwärtsschritten, er sei richtig verliebt in die Tätigkeit. Dass er zudem bekundete, das Gefühl zu haben, dass jeder der Mitwirkenden in den nächsten Jahren einen Job in den besten Orchestern der Welt haben wird, dürfte enorm motivierend sein. Am Konzertmeisterpult sitzt mit Karoline Wocher übrigens eine Vorarlbergerin: „Für uns ist es etwas Besonderes, weil wir jetzt ein Orchester von Null an aufgebaut haben.“ Das Programm enthält mit „DSONG“ die Uraufführung eines Werks des Vorarlberger Komponisten Herbert Willi, Haydns Trompetenkonzert in Es-Dur mit Selina Ott als Solistin sowie die 5. Sinfonie von Schostakowitsch.

Dürer und Augmented Reality

Man kann per QR-Code Augmented-Reality-Objekten begegnen und quasi als Prolog zur Uraufführung von “Melencolia“ auch interaktiv agieren, man kann die Oper aber auch ohne jegliches Gadget auf sich wirken lassen. Fest steht allerdings, dass Brigitta Muntendorf, in Deutschland tätige Komponistin mit Wurzeln in Vorarlberg, digitale Systeme nutzt. In der Melancholie, die über die Jahrhunderte Zuweisungen vom Geniekult bis zur Depression hat, sieht sie ein Potenzial, das der Gesellschaft Kraft geben kann: „Ich bin bereit, mich in den Zustand zu begeben, ihn auszuhalten und nicht nach einer einfachen Lösung zu suchen.“ Das mittlerweile legendäre Ensemble Modern wollte sei einmal so herausfordern, dass die Mitglieder „richtig jung sein müssen“.

Mit „Melencolia“ greift die Komponistin Brigitta Muntendorf  (im Bild mit Regisseur Moritz Lobeck) ein großes Thema in der Kunst auf. <span class="copyright">Stiplovsek</span>
Mit „Melencolia“ greift die Komponistin Brigitta Muntendorf (im Bild mit Regisseur Moritz Lobeck) ein großes Thema in der Kunst auf. Stiplovsek

Konkret heißt das, dass etwa live gefilmte Szenen in die Videoprojektionen einfließen oder dass auch künstliche Intelligenz der Art eine Rolle spielt, dass Musiker beim Spielen aufgenommen worden sind und dass sich das Material weiterentwickelt. Ein erster optischer Einblick lässt den Schluss zu, dass das berühmte Melancholie-Bild von Dürer durchaus erkennbar wird, die Landschaftsmotive etwas Suggestives haben und auch zwei reizende Vierbeiner auftauchen.

Das „Armida“-Team (mit dem Tenor Kieran Carrel, der Sopranistin Nicole Wacker, Regisseur Jörg Lichtenstein und Dirigent Jonathan Brandani neben Intendantin Elisabeth Sobotka und Pressesprecher Axel Renner) bestätigte es, die Oper von Haydn enthält anspornende Partien für junge Sängerinnen und Sänger. <em><span class="copyright">Stiplovsek</span></em>
Das „Armida“-Team (mit dem Tenor Kieran Carrel, der Sopranistin Nicole Wacker, Regisseur Jörg Lichtenstein und Dirigent Jonathan Brandani neben Intendantin Elisabeth Sobotka und Pressesprecher Axel Renner) bestätigte es, die Oper von Haydn enthält anspornende Partien für junge Sängerinnen und Sänger. Stiplovsek

Vielleicht finden sich Anknüpfungspunkte zu Haydns 1784 uraufgeführter Oper „Armida“, jedenfalls lässt Regisseur Jörg Lichtenstein die Christianisierung, die auch bei Haydn trotz der Kreuzritterthematik keine große Rolle spielt, außen vor und begibt sich in das Fantasy-Genre, um zu erläutern, wieso eine mächtige Zauberin wie Armida doch scheitert.  Es geht ihm darum, männliche Verhaltensweisen in ihrer Gefährlichkeit aufzuzeigen und die Auslöser zu erkunden sowie den Konflikt des zentralen Liebespaares begreifbar zu machen. Dirigent Jonathan Brandani zeigte sich voller Begeisterung über die Zusammenarbeit mit jungen Sängerinnen und Sängern, bezeichnete Haydn als „modern“ und führt das darauf zurück, dass er den Mut hatte, innerhalb weniger Takte verschiedene Stimmungen zu vermitteln.

Konzert der Orchesterakademie, 14. August, 11 Uhr, Festspielhaus; Premiere „Armida“, 15. August, 19.30 Uhr, Theater am Kornmarkt; Uraufführung „Melencolia“, 18. August, 20 Uhr, Werkstattbühne: bregenzerfestspiele.com

Im Setting von Melancholia auf der Werkstattbühne soll das Publikum Klänge aus verschiedenen Perspektiven wahrnehmen können. <span class="copyright">Stiplovsek</span>
Im Setting von Melancholia auf der Werkstattbühne soll das Publikum Klänge aus verschiedenen Perspektiven wahrnehmen können. Stiplovsek