Diese Untersuchung kommt auf Österreichs Justiz zu

Politik / 02.12.2023 • 07:00 Uhr
Sichtlich erfreut zeigte sich Justizministerin Alma Zadic (r.), Martin Kreutner (l.) für die Leitung der Untersuchungskommission im Ressort gewonnen zu haben. <span class="copyright">APA/Eva Manhart</span>
Sichtlich erfreut zeigte sich Justizministerin Alma Zadic (r.), Martin Kreutner (l.) für die Leitung der Untersuchungskommission im Ressort gewonnen zu haben. APA/Eva Manhart

Martin Kreutner leitet die von der Justizministerin anlässlich des „Tonbands Pilnaceks“ eingesetzte Untersuchungskommission.

Wien Auf Martin Kreutner kommen intensive Zeiten zu. Diesen Eindruck gewinnt man zumindest, wenn man sich vor Augen führt, was er sich vorgenommen hat. Der Anti-Korruptions-Experte – heute unter anderem Berater für die Vereinten Nationen oder die OSZE – wird eine Untersuchungskommission im Justizministerium leiten. Das Thema: die Vorwürfe der versuchten politischen Einflussnahme, die der mittlerweile verstorbene Sektionschef Christian Pilnacek in einem Restaurant äußerte. Er wurde dabei aufgezeichnet, das Tonband nach seinem Ableben veröffentlicht.

Aktenstudium und Interviews

Also soll eine Untersuchungskommission her. Etwa um zu klären, ob es tatsächlich sein kann, dass, wie vorgeworfen, regelmäßige politische Einflussnahmen von hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern der Volkspartei stattgefunden hatten. Pilnacek nannte in der Aufnahme etwa den heutigen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka. Der streitet das kategorisch ab.

Ob das stimmt, wird die Kommission am 15. Juni bekanntgeben. Dann soll der Endbericht ihrer Arbeit den im Parlament vertretenen Parteien vorgelegt und auch veröffentlicht werden. Der Untersuchungszeitraum beginnt im Jahr 2010 – dem Jahr, in dem Pilnacek die Strafrechtssektion im Ministerium übernahm – und endet heute, im Dezember 2023.

Christian Pilnacek war seit 2010 Sektionschef im Justizministerium, später wurde er suspendiert. <span class="copyright">APA/Helmut Fohringer</span>
Christian Pilnacek war seit 2010 Sektionschef im Justizministerium, später wurde er suspendiert. APA/Helmut Fohringer

Die Arbeitsweise der Kommission: Aktenstudium und Interviews. Etwa mit den fallführenden Staatsanwältinnen oder den von den Vorwürfen betroffenen Politikern. Einer Wahrheitspflicht unterliegen diese keiner, Justizministerin Alma Zadić, die die Kommission einsetzte, baut aber auf deren Mitarbeit.

„Verhaltensauffälligkeiten“

Kreutner und Zadić machten klar, dass die Kommission nicht die Arbeit der ebenfalls ermittelnden Staatsanwaltschaft doppeln werde. „Wir sind nicht die Ober-Oberstaatsanwaltschaft oder die Ober-Oberbehörde“, so Kreutner. Konkret werde man etwa Akten anfordern, unter anderem jene, die in den U-Ausschüssen relevant waren. Darüber hinaus werde es auch die Möglichkeit geben, sich anonym an die Kommission zu wenden. So soll etwa festgestellt werden, ob es „Verhaltensauffälligkeiten gegeben hat, die mit dem heutigen Compliance-Verständnis unvereinbar sind“.

Man werde aber nicht alle Verfahren seit 2010 nachkontrollieren können, so Kreutner. Da sei nicht die Aufgabe der Kommission – vielmehr gehe es um das Feststellen struktureller und systemischer Mängel. Darauf aufbauend werde man dann Empfehlungen abgeben.

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Dass die Kommission zu einem heiklen Zeitpunkt eingesetzt wird, war sowohl Zadić als auch Kreutner im Pressegespräch klar. Zum Zeitpunkt der Berichtslegung wird die EU-Wahl gerade über die Bühne gegangen sein, der nationale Wahlkampf für die anstehende Nationalratswahl im Herbst wird langsam aber sicher Fahrt aufnehmen. Und egal, wie das Ergebnis ausfällt, ob für die Parteien – und die Justiz selbst – entlastend oder doch mit schwerwiegenderen Auffälligkeiten gespickt: Eine der vielen Seiten wird die Arbeit der Kommission im Wahlkampf nutzen können.

Und das auch tun.

Der Untersuchungsgegenstand

Konkret wird die Kommission damit beauftragt, „staatsanwaltschaftliche Vorgänge samt bezughabender Akten der mit der Aufsicht betrauten Stellen für den Zeitraum 1.1.2010 bis 1.12.2023 auszuwählen, bei denen aufgrund konkreter Umstände vermutet werden kann oder evident ist, dass eine politische Partei oder eine dieser nahestehende natürliche oder juristische Person Interesse an einem bestimmten Ausgang oder konkreter Abwicklung der staatsanwaltschaftlichen Vorgänge hatte, hat oder haben konnte“.

Diese Vorgänge sind dahingehend zu untersuchen und zu analysieren, ob

– von Personen, die dazu nicht berechtigt sind, versucht wurde, Informationen zu erlangen bzw. unberechtigt Informationen weitergegeben wurden,

– in unsachlicher Weise Einfluss genommen oder dies versucht wurde,

– ob Auffälligkeiten im Verfahrensablauf eine versuchte oder tatsächliche Einflussnahme nahelegen sowie

– ob Vorgänge ersichtlich sind, die jedenfalls heute mit den in der Justiz geltenden Compliance-Regelungen unvereinbar wären oder sonst bedenklich erscheinen.