“Auch Männer leiden unter postpartaler Depression“ – Ländlehebamme Alexandra Tschamon über die Herausforderungen im Wochenbett

Nach der Geburt verändert sich für die Eltern vieles: von hormonellen Umstellungen und veränderter Identität bei Frauen bis hin zur postpartalen Depression bei Männern.
Von Katja Grundner
Schwarzach „Ist das normal?“, ist eine der häufigsten Fragen, die Alexandra Tschamon als Teil der Ländlehebammen bei ihrer Arbeit im Wochenbett beantwortet. Ist es normal, dass mich mein Kind immer braucht? Dass es ein bisschen gelb wird? Dass sein Nabel so aussieht? Dass meine Brust hart ist? Dass die Blutung sich im Wochenbett verändert? Dass ich so viel schwitze? Und so weiter. „Unsere Gesellschaft ist völlig fern von Elternschaft, bevor man selbst Eltern wird“, sagt die 31-Jährige. Das Wochenbett als Phase der intensiven Umstellung bringt viele Herausforderungen mit sich: von der starken hormonellen Umstellung der Frauen bis hin zu ihrer neuen Rollenfindung.
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Postpartale Depression – auch bei Männern
„Im Wochenbett habe ich als Hebamme drei Hauptaufgaben: Erstens, dass es Kind und Mutter körperlich gut geht. Zweitens die psychische Gesundheit und drittens den sozialen Aspekt“, erklärt Tschamon. Vor allem die psychische Belastung nach der Geburt wird von vielen unterschätzt. „Was man da als Frau hormonell durchmacht, ist einfach brutal“, so die Bludenzerin. Viele Frauen erleben kurz nach der Geburt einen Babyblues – eine leichte emotionale Verstimmung, die meist von selbst wieder vergeht. „Bei etwa 10 bis 25 Prozent – je nach Literatur – entwickelt sich daraus eine postpartale Depression. Und bei Frauen mit dieser Diagnose ist jeder zweite Partner mitbetroffen“, führt Tschamon aus.
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Oft wird eine postpartale Depression von den Hebammen als Erstes bemerkt. „Die Frauen gestehen sich das häufig nicht ein – wegen Schuldgefühlen, Versagensängsten und so weiter“, äußert die Expertin. „Und Männer können ihre Symptome wie Antriebslosigkeit und Schlafstörungen oft nicht einordnen.“ Eine Früherkennung durch Hebammen ermöglicht es, psychische Belastungen rechtzeitig aufzufangen, bevor sie überhandnehmen.

Vergangenes Jahr hatte Tschamon zwei Fälle von Männern mit postpartaler Depression. Bei einem davon war nur der Mann betroffen. „Die Frau hat das Geburtserlebnis als bestärkend empfunden, doch für ihren Partner war es entmächtigend. Es war sehr schlimm für ihn, dass er nur danebenstehen konnte“, berichtet die Hebamme und Mutter.
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Mama statt Partnerin
Der „soziale Aspekt“ unter den Hauptaufgaben der Hebammen im Wochenbett bezieht sich auf die veränderte Identität bei Frauen nach der Geburt. „Vorher war die Frau Partnerin, Freundin, Berufstätige und so weiter. Plötzlich fällt vieles davon weg und sie ist nur noch Mama. Man hat weder seinen Körper noch Zeit noch irgendwas für sich“, beschreibt Tschamon. Orientierungshilfe ist hierbei eine wichtige Aufgabe von Hebammen. Auch das psychische Wohlbefinden hängt an dieser Rollenfindung. Unterstützt wird diese zum Beispiel durch Still- oder Purzelbaumgruppen. Solche bieten Raum für Austausch, Vernetzung und die Erkenntnis, dass man mit seinen Sorgen nicht allein ist.
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„Viele Partner können oft nicht akzeptieren, dass man nicht mehr so viel Ehefrau ist, sondern vor allem Mutter. Doch speziell in den ersten Monaten ist das unerlässlich“, betont die Expertin. Schlüpft ein Partner ebenfalls in seine Paparolle und lässt die Mutter am Anfang vor allem Mama sein, schaffe man laut der Expertin eine ideale Basis, auf der sich die Frau später wieder lieber und auf natürliche Weise der Partnerrolle zuwendet. „Jedoch einer neuen Partnerschaft. Es wird nie mehr die alte sein“, führt Tschamon aus.
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(VN)