Non-Playing-Captain? “Dafür bin ich zu ehrgeizig!”

Altachs Kapitän Lukas Jäger im VN-Gespräch über Spielminuten, Social Media und das Altern im Fußball. Er sagt: “Ich möchte am Platz stehen, die Emotionen spüren.”
Wien In 216 Spielen hat Lukas Jäger (31) das Trikot des SCR Altach bereits getragen. Nach fünf Saisonen in Nürnberg und beim SK Sturm kehrte der Alberschwender 2022 ins Rheindorf zurück. Als Kapitän vertritt er sein Team zum bereits dritten Mal beim Mediaday der Bundesliga. Es sei schön, die Jungs aus den anderen Vereinen zu treffen, sagt Jäger, und dass das Schönste ohnehin sei, erneut am ersten Tag nach Wien zu dürfen – und nicht am Folgetag, wenn die Zweitligisten an der Reihe sind.
Viele Kinder haben die Vorstellung vom Fußballer als Traumberuf. Wie viele Monate im letzten Jahr war es für Sie denn wirklich ein Traum?
Gute Frage. Es gibt natürlich Situationen, die nicht so einfach sind, gerade hinten raus wächst der Druck. Aber grundsätzlich bin ich jeden Tag froh, dass ich Profifußball spielen darf, dass ich in die Kabine gehen kann, Spaß mit den Jungs haben und gemeinsame Zeit mit ihnen verbringen kann. Es ist das ganze Jahr schön – auch wenn der Druck am Schluss ein anderer ist.
Der Druck ist, seit Sie wieder in Altach sind, permanent spätestens ab März da. Haben Sie jemals bereut, zurückgekommen zu sein?
Nein, ich habe das nicht bereut. Natürlich hätte man sich, wenn man auf die letzten drei Jahre zurückschaut, sportlich mehr Erfolg gewünscht. Aber es macht einen auch stärker, man geht mit gewissen Situationen anders um, weil man gewisse Erfahrungen gemacht hat. Die Erfahrungen probiere ich der Mannschaft weiterzugeben, damit wir davon profitieren können.
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Ihre erste Zeit in Altach war eigentlich ein stetiger Aufwärtstrend, in der zweiten hat man sich immer kurz vor Schluss noch gerettet. Was ist da zwischen 2017 und 2022 passiert?
Da ist sehr viel passiert. Wir haben damals eine sehr erfolgreiche Zeit gehabt, aber das liegt jetzt schon sehr weit in der Vergangenheit. Schlussendlich haben wir es als Verein, Mannschaft und Staff nicht hinbekommen, miteinander erfolgreich zu sein. Da muss jeder Einzelne im Verein, egal in welcher Funktion, Verantwortung übernehmen, vielleicht den Schritt mehr machen, ein, zwei Aufgaben mehr arbeiten, damit wir eine positive Energie reinbekommen. Ich glaube, so können wir wieder erfolgreich werden.
Ihr Vertrag wurde bis 2027 verlängert. War das für Sie ein “No-Brainer”?
Für mich war klar, dass ich weiterhin für Altach spielen möchte. Und ich bin sehr froh, dass das so geklappt hat.
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Obwohl Sie ja zum Saisonende nur mehr die Jokerrolle gehabt haben.
Ich hätte mir mehr Einsatzzeiten gewünscht, jeder Fußballer, der etwas anderes sagt, lügt. Aber es gilt im Profifußball einfach auch, die Rolle anzunehmen und diese bestmöglich auszufüllen. Ich denke, das habe ich getan. Ich habe gut hinbekommen, da zu sein, wenn es mich gebraucht hat. Das werde ich hoffentlich auch in der Zukunft hinbekommen.
Spätestens zur letzten EM ist mit David Alaba der Begriff “Non-Playing-Captain” aufgekommen. Ist das so eine Rolle, die Sie annehmen könnten?
Der Drang zum Spielen ist definitiv zu groß dafür. Ich habe vielmehr von einer Rolle für gewisse Situationen gesprochen, für eine gewisse Zeit. Wenn ich sagen würde, dass ich zufrieden bin, wenn ich auf der Bank sitze – das bin nicht ich. Dafür bin ich zu ehrgeizig. Ich möchte am Platz stehen, die Emotionen spüren.

Ist der Begriff Mentalitätsspieler einer, mit dem Sie sich identifizieren?
Ich denke schon. Das sagen zumindest viele andere, und selbst sehe ich das auch so.
Altach hat, Stand jetzt, die älteste Mannschaft der ganzen Liga. Wie verändert das die Dynamik in der Kabine? Wird das ernster, erwachsener?
Ich glaube, Fußballer haben immer einen gewissen Schmäh, egal in welchem Alter. In der Kabine herrscht eine eigene Dynamik, ein bisschen etwas Kindliches bewahren wir uns da schon.
Wenn von jungen Spielern geredet wird, wird oft noch das Attribut “hungrig” angehängt. Im Umkehrschluss müsste dieser Hunger ja irgendwann nachlassen. Sehen Sie die Gefahr, dass der Hunger fehlt?
Nein, die sehe ich nicht. Die Erfahrung tut uns sicher gut, wir müssen Tag für Tag hart arbeiten, damit wir uns weiterentwickeln. Wir wollen eine stabilere Saison spielen, und dafür müssen wir hungrig sein.

Die Spieler im Profifußball werden immer jünger. Beschäftigt man sich mit 31 als Profifußballer schon mit dem Älterwerden?
Ich mich nicht wirklich, ich fühle mich generell jünger, als ich bin. Dass neue Spieler nachkommen, ist der Lauf der Dinge. Ich habe ja selbst schon mit mehreren Spielergenerationen zusammenspielen dürfen.
Die Spielergeneration über Ihnen übernimmt bereits Funktionärsposten. Wie komisch ist es denn, dass Philipp Netzer plötzlich Ihr Chef ist?
Für mich ist es nicht wirklich komisch. Klar, wir stehen jetzt in anderen Positionen zueinander, als Spieler haben wir gemeinsam erfolgreiche Zeiten erlebt. Aber ich habe mit dem Pippo als Spieler schon ein gutes Verhältnis gehabt, und das habe ich jetzt auch.
Fußballer sind nicht nur heute medial präsent, sondern über Social Media eigentlich immer. Ihr letzter Instagram-Post war vor 99 Wochen.
Ein bewusstes Detox ist das nicht. Ich bin da einfach nicht so dahinter wie vielleicht manche unserer jüngeren Spieler, mich interessiert das weniger. Es ist mir einfach nicht so wichtig.
Nervt es Sie denn, für TikTok und Co. auf den Vereinskanälen herzuhalten?
Ich bräuchte es nicht, wenn ich ganz ehrlich bin. Aber das gehört heute dazu, das ist Teil meines Jobs.

Sie haben in Nürnberg gespielt, waren bei Sturm Graz, haben erfolgreiche Zeiten mit Altach erlebt. Es ist jetzt Ihre zehnte Saison in der österreichischen Bundesliga. Was wäre denn ein Highlight, das Sie gerne noch erleben würden?
Das ist schwierig zu definieren. Wir müssen uns einfach in die Richtung entwickeln, eine stabilere Saison spielen zu können. Das geht nur, wenn wir täglich hart arbeiten. Ich möchte mit Altach wieder erfolgreicher sein, das ist mein Herzensverein. Aber auf einen Tabellenplatz möchte ich das nicht beziehen.
Was spricht denn dagegen, dass Altach eine Überraschungssaison hinlegt, wie das auch schon Hartberg oder Klagenfurt gelungen ist?
Nichts. Aber es ist nun mal so, dass die Bundesliga sich in den letzten Jahren in zwei Richtungen entwickelt hat. Natürlich wollen wir darum mitspielen, da auch einmal oben dabei zu sein. Aber als Altach die Meistergruppe als Saisonziel auszurufen, wäre vermessen.