Ziel bekannt, Weg unklar: Kritik an Entwurf des Klimagesetzes

Österreich steht vor einer hitzigen Debatte über ein neues Klimaschutzgesetz. Klaren Ziele und Verbindlichkeiten fehlen noch.
Wien Schon im Mai deutete Norbert Totschnig (ÖVP), Minister für Land- und Forstwirtschaft und seit dieser Legislaturperiode auch für Klimaschutz, einen Richtungswechsel an. Hatte die Klimaneutralität unter seiner Vorgängerin Leonore Gewessler (Grüne) noch Priorität, drückte er es in einem Journalistengespräch so aus: Die Klimaneutralität 2040 sei weiterhin “Vision, aber wir müssen das wirtschaftliche Umfeld beachten”. Noch in diesem Jahr soll ein Klimagesetz durch das Parlament gehen. Ein mit Ende Juni datierter Entwurf, der vorab publik wurde, sorgt für Kritik.
Dabei wurden die Ambitionen im Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und Neos von Expertinnen und Experten gegenüber den VN noch positiv bewertet. Das Drehbuch sei prinzipiell gut, der Film müsse aber noch gedreht werden. Nun wurde mehr über die “Handlung” bekannt. Der vorliegende Text lasse Klarheiten und Verbindlichkeiten vermissen, heißt es von Seiten von Klimaexpertinnen und Experten. “Es ist wichtig, dass 2040 als Zeitpunkt für die Klimaneutralität drinsteht”, sagt Sigrid Stagl, WU-Professorin für ökologische Ökonomie und Wissenschaftlerin des Jahres, den VN.
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Aufholbedarf
Österreich sei Nachzügler, was die Reduktion der Emissionen anbelangt, erklärt die Wissenschaftlerin. Dänemark habe sich zum Beispiel schon bis 2030 selbst dazu verpflichtet, die Emissionen um 70 Prozent zu reduzieren, Österreich hat sich in diesem Zeitraum 40 Prozent vorgenommen. “Das heißt, wir biegen die Kurve deutlich später herunter. Wir müssen also nach 2030 weiter ambitionierter bleiben, um nachzuholen, was wir vorher verpasst haben”, sagt Stagl. Sie fügt hinzu: “Die Klimaneutralität bis 2040 ist adäquat, nicht ambitioniert.”
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Sektorziele
Ein weiterer Punkt, den Stagl vermisst, sind konkrete Ziele der einzelnen Sektoren. “Das kennt man: Wenn zu viele verantwortlich sind, dass man ein gemeinsames Ziel erreicht, dann ist die Frage, wer als Erster nachschärfen muss, wenn es nicht erreicht wird.” Man müsste vorab eine Regelung haben und nicht erst zu verhandeln anfangen, wenn zum Beispiel der Verkehr die CO2-Emissionen nicht ausreichend reduziert. “Das führt zu einer weiteren Verzögerung, wenn hier ein Automatismus fehlt.”
Ab 2026 soll es einen Klimacheck für alle neuen Gesetze geben. Das bewertet Stagl prinzipiell als positiv: “Das ist eigentlich ein cleverer Schritt, da das in die Wirksamkeitsanalyse der Gesetze inkludiert wird.” Die Frage ist nun, ob die Analyse nur vom Ministerium vorgenommen wird oder auch eine unabhängige Instanz involviert ist. “Das wäre noch ein zusätzlicher Qualitätsstandard”, empfiehlt Stagl.
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Kritik von Gewessler
Totschnig wies auf “laufende Verhandlungen” hin. Das Klimaschutzgesetz soll aber noch in diesem Jahr “durch das Parlament”. Seine Vorgängerin im Klimaressort, Grünen-Chefin Gewessler, kritisierte den Entwurf als “klimapolitische Bankrotterklärung”. Zahlreiche Vorhaben der türkis-grünen Vorgängerregierung wurden abgespeckt. Neben den verbindlichen Emissionsreduktionspfaden betrifft das auch die Bindung für die Bundesländer. Zudem war eine “Notbremse” im Gespräch, wenn die Klimaziele verfehlt werden. Dann sollte es zu einer automatischen Steuererhöhung etwa der Mineralölsteuer kommen. Auch Institutionen wie der “Klimarat der Bürgerinnen und Bürger”, Vorarlberg war beim Pilotprojekt ambitioniert beteiligt, wurden im Entwurf gestrichen.