Zwischen Wasser, Holz und Strom – Die frühe Wirtschaft im Montafon

Das Montafon fand ab dem 19. Jahrhundert neue Wege in die wirtschaftliche Zukunft.
Schruns Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stand das Montafon wirtschaftlich wie viele Talschaften Vorarlbergs vor großen Herausforderungen. Die Landwirtschaft reichte längst nicht mehr aus, um die Bevölkerung zu ernähren. Die Saisonwanderung wurde zur Überlebensstrategie: Viele Montafoner suchten als Bauarbeiter, Händler oder Handwerker zeitweise Arbeit in der Ferne – und kehrten nur saisonal ins Tal zurück. Gleichzeitig begannen erste Versuche, wirtschaftliche Perspektiven vor Ort zu schaffen. Die Wasserläufe Ill und Litz rückten das Montafon ins Interesse industrieller Unternehmer, die geeignete Standorte für Fabriken suchten. Zwar lehnten die Standesvertreter größere Industrieansiedlungen ab, doch kleinere, handwerklich-industrielle Betriebe konnten sich etablieren – oft aus bestehenden Strukturen heraus.

Von der Hobelfabrik zum Sägewerk
Ein Beispiel dafür ist die alte Mühle im Schrunser Tobel. Dort entstand um 1850 eine kleine Schreinerei, die Jakob Zudrell ab 1865 zur “1. Österreichischen Kraut- und Gemüse-Hobelfabrik, Parkettieren und Sägewerk” ausbaute. Was kurios klingt, war ein innovatives Unternehmen: Ab 1870 stellte man sogar Parkettböden her – ein regionales Produkt mit wachsender Nachfrage. Das Unternehmen wurde beim Hochwasser von 1910 zerstört, nach dem Wiederaufbau blieb es bis 1947 an der Litz aktiv. Danach wurde in Grüt ein moderner Neubau errichtet, der allerdings 1976 einem Großbrand zum Opfer fiel. Eine größere Bedeutung für die industrielle Entwicklung gewann die Lodenfabrik Mayer in Schruns – sie war die bekannteste Fabrik im Montafon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ihr Aufstieg wurde entscheidend durch die Montafonerbahn gefördert. Die 12,717 Kilometer lange Stichbahn verbindet seit dem 18. Dezember 1905 Schruns und das untere Montafon mit Bludenz; dort ist sie mit der Arlbergbahn und der Bahnstrecke Lindau–Bludenz verknüpft. Die elektrisch betriebene Normalspurbahn vereinfachte nicht nur den Export von Waren, sie erleichterte auch den Arbeitsweg vieler Menschen. Außerdem ermöglichte sie die Ansiedlung der Zementwerke in Lorüns, deren wichtige Rohstoffe nun per Bahn aus dem Steinbruch in St. Anton transportiert werden konnten.

Tourismus und Kraftwerk
Für den Tourismus, der ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert im Montafon zunehmend an Bedeutung gewann, war die Bahn ein wichtiger Impuls. Dass sie überhaupt gebaut wurde, ist maßgeblich dem Engagement von Wilhelm Mayer zu verdanken – Mühlenbesitzer in Schruns und Bruder von Heinrich Mayer, dem Gründer der Lodenfabrik. Gemeinsam gelten die Brüder Mayer als große Wirtschaftspioniere des Montafons. Neben der Lodenproduktion und der Mühle realisierten sie auch das erste öffentliche Elektrizitätswerk Vorarlbergs: 1896 wurde in Schruns dank des neu errichteten Litzkraftwerks erstmals Strom aus Wasserkraft öffentlich verfügbar. Bis heute prägen die von Architekt Hanns Kornberger entworfene Jugendstilmühle und die benachbarte Lodenfabrik das Ortsbild von Schruns – stille Zeugen eines wirtschaftlichen Aufbruchs, der das Tal geprägt hat. Im 20. Jahrhundert verlagerte sich das industrielle Zentrum des Montafons zunehmend auf die Energiegewinnung. Der Ausbau der Vorarlberger Illwerke ab den 1920er-Jahren – mit dem Bau großer Kraftwerke und Staudämme im Hochgebirge – brachte über Jahrzehnte Arbeitsplätze ins Tal. Die damit erschlossene Energie wurde zum Motor der Industrialisierung Vorarlbergs – und festigte das Montafon als wichtigen Standort innerhalb des Landes.