“Er streitet ab, dass er 100 wird”

Egon Schöpf ist ältester noch lebender Hahnenkammsieger und mit den Girardellis befreundet.
St. Anton Erst einmal spürte Egon Schöpf den Hauch des Todes. Damals, als ihn sein Großvater mit offener Tuberkulose arglos abbusselte. Da war Klein-Egon zwei Monate alt. Der behandelnde Arzt, der das Schlimmste befürchtete, legte den verzweifelten Eltern – quasi als ultima ratio – einen halbjährigen Aufenthalt im Mittelgebirge nahe. Nicht ohne den dringlichen Rat, dem Kleinen täglich eine stattliche Ration “Goaßmilch” zu verabreichen. Nur so viel: Der Bub trank fleißig und entwickelte sich in der Idylle der Wiesenhöfe zwischen Aldrans und Rinn prächtig.

Derart prächtig, dass er 99 Jahre später in der Zirbenstube seines Hotels Edelweiß in St. Anton Platz nimmt. Er trägt graue Jeans, grauen Pulli, einen dunkelblauen Ski-Austria-Mantel und fragt nach einem Kaffee. Weil die Kaffeemaschine noch im Herbstschlaf verweilt, serviert Sohn Egon jun. Löskaffee. Gattin Inge hat für den Besuch eine Brettljause zubereitet. Zeit, auf ein 100 Jahre langes Leben zurückzublicken.
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In Papas Rucksack
Ob ihm die Leidenschaft für den Skisport bereits in die Wiege gelegt wurde, kann keiner mehr so genau sagen. Gesichert ist, dass Egon schon im Windelalter auf den Pisten hoch über Innsbruck unterwegs war – im Rucksack seines Vaters Leo. Mit acht rast der im Stadtteil St. Nikolaus aufgewachsene Blondschopf bereits das Hafelekar hinunter. Der Beginn einer Leidenschaft, die Schöpf über Jahrzehnte zum Fixpunkt in der Skiszene macht. Vom Weltklasseläufer über die Trainerlegende bis hin zum erfolgreichen Kneissl-Rennsportleiter.
Ob ihm die Leidenschaft für den Skisport bereits in die Wiege gelegt wurde, kann keiner mehr so genau sagen. Gesichert ist, dass Egon schon im Windelalter auf den Pisten hoch über Innsbruck unterwegs war – im Rucksack seines Vaters Leo. Mit acht rast der im Stadtteil St. Nikolaus aufgewachsene Blondschopf bereits das Hafelekar hinunter. Der Beginn einer Leidenschaft, die Schöpf über Jahrzehnte zum Fixpunkt in der Skiszene macht. Vom Weltklasseläufer über die Trainerlegende bis hin zum erfolgreichen Kneissl-Rennsportleiter.

Die durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochene Rennfahrerkarriere nimmt so richtig Fahrt auf, als er nach zweijähriger Kriegsgefangenschaft 1946 in die Heimat zurückkehrt. Da ist er 21. Sein parallel dazu begonnenes Kartografie-Studium kann er nicht beenden, die finanziellen Mittel dazu reichen nicht. Dabei läuft es auf der Skipiste prächtig. 1947 dreifacher akademischer Weltmeister in Davos, 1949 das ruhmreiche Siegestriple in Kitzbühel. Im Jahr darauf folgt Abfahrts-WM-Bronze in Aspen, nur bei Olympia (1948 und 1952) soll es nicht für Edelmetall reichen. Dass er es auch als Handballer zur Nationalteamreife bringt und 1956 die Semperit-Rallye gewinnt, zeigt nur die Vielseitigkeit des Parade-Gastgebers. Firmenchef Franz Kneissl holt Schöpf 1960 in den Skisport zurück – wo er zwei Jahrzehnte lang die Geschicke als Rennsportchef leitet. Nebenbei ist er auch Trainer von Karl Schranz und später dafür mitverantwortlich, dass der fünffache Gesamtweltcupsieger Marc Girardelli auch als Abfahrer Weltcuperfolge feiert, 1989 sogar auf der Streif. So wie er einst selbst. “Ich erinnere mich, wie mein Vater die Skimarke wechseln wollte. Als Mitglied des Vorarlberger Skiverbandes war ich in den 70er-Jahren auf Kästle unterwegs. 1975 habe ich auf Kneissl gewechselt, wo Egon als Rennsportchef arbeitete. Später führte unser Weg wieder zusammen, als er mit der Derbyflex-Bindungsplatte zu mir gekommen ist. Von da an hat es in der Abfahrt geklappt.

Doch auch das Schicksal schlägt zu. Sein älterer Bruder Leo jun. fällt im Zweiten Weltkrieg. 1993 verunglückt Tochter Monika beim Paragleiten in Zermatt tödlich. Auch die Pläne, dass sie das elterliche Hotel übernimmt, sind damit gestorben. Die Söhne gehen eigene Wege. Rene ist seit Jahren für die UNO in Bagdad tätig, Egon jun. ist Vater von fünf Mädchen, Chef des Hotel Shanti in St. Anton und seit zwei Jahren voll im Masters-Ski-Rennsport involviert. Auf die Frage, wie er seine Familie beschreiben würde, sagt Egon jun. augenzwinkernd: “Von normal sind wir weit entfernt.”
Bis zu 80 Zigaretten
Dass das Geburtstagskind mit 100 Jahren noch einigermaßen fit dasitzt, ist selbst für Langzeitgattin Inge ein Rätsel. “Der Egon hat alles getan, was Gott verboten hat.” Dazu zählte auch ein üppiger Nikotinkonsum. Bis zu 80 Zigaretten täglich sollen es gewesen sein. “Mit 49 hat er es gelassen. Von einem Tag auf den anderen.” So war er und so ist er geblieben. “Der Herr Schöpf”, sagt Frau Schöpf, “hat immer nur das gemacht, was er wollte.” Als Corona die Gesellschaft in Geiselhaft nimmt, verzichten freilich beide auf die empfohlene Impfung – und übertauchen die Zeit mit großzügigem Whisky-Konsum. Bis heute braucht der Jubilar keine Tablette. Keine einzige.
Feier im Hotel Klosterbräu
Kurz vor Corona steht Schöpf letztmals auf Ski. Die letzte Golfplatzrunde ist gerade einmal zwei Jahre her. “Alles hat ein Ende”, nickt Ehefrau Inge. Vorerst einmal wird aber gefeiert. Heute im Kreise der Familie und am Freitag mit Freunden und Weggefährten, u. a. mit VN-Kolumnist Marc Girardelli, im Hotel Klosterbräu in Seefeld. Was der Jubilar dazu sagt? Vorerst nichts, dafür antwortet seine Frau: “Er streitet ab, dass er 100 wird. Eiskalt und beinhart.”