Der 100-Millionen-Dollar-Mann aus der Nische

Bernhard Raimann beim NFL-Gastspiel in Berlin am Sonntag (RTL, live ab 15.30 Uhr) im Fokus.
Schwarzach Dass ein Österreicher in einem Sport auf seiner Position in der absoluten Weltspitze unterwegs ist und die Öffentlichkeit überschaubar viel Notiz davon nimmt, ist ein Schicksal, das viele Rand- und Nischensportler nur zu gut kennen, wenn hierzulande bei diversen Sportlerwahlen und Preisverleihungen der Winter- oder Fußballsport vieles überstrahlen.
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Spätestens wenn man mit seinem Tun und Wirken in einem Randsport einen Kontrakt über 100 Millionen Dollar (87 Millionen €) unterzeichnet und damit zu einem der historisch bestbezahlten Athleten, die Österreich je hervorgebracht hat, wird, erhöht sich der Bekanntheitsgrad schlagartig.

Insofern werden Sie an dieser Stelle wohl nicht zum ersten Mal Dinge über den Burgenländer Bernhard Raimann lesen. Der 28-Jährige spielt bei den Indianapolis Colts auf der Position des Left Tackles und ist damit das wichtigste Glied in der fünf Mann starken Offensive Line, die für das Blocken im Laufspiel und den Schutz des Quarterbacks im Passspiel verantwortlich ist.

Dass ein Österreicher, der noch dazu mit erst 14 Jahren bei den Vienna Vikings zum Sport gefunden hat, in der Milliardenliga National Football League (NFL) zu einem der besten und bestbezahlten Spieler auf seiner Position avanciert ist, darf somit als veritable Sensation bezeichnet werden.

Die ernsthafte globale Expansion der NFL dauert nun zwar bald 20 Jahre an. Aber die Ausbildung von internationalen Talenten hinkt dieser Entwicklung noch weit hinten nach. Zu spezialisiert ist schlichtweg die Ausbildung im Mutterland des American Football. Wenn Kinder von Kalifornien bis Florida bereits früh mit dem Sport in Kontakt kommen, die Besten der Besten sich dann in den Highschools messen, schließlich fürs College und dann noch einmal für den Gang in die NFL selektiert bzw. ausgesiebt werden, dann bleibt am Ende nur die absolute sportliche Elite übrig. Und in der ist sehr wenig Platz für Internationalität, wenn man bedenkt, dass gerade mal 50 der über 2200 NFL-Spieler keinen amerikanischen Geburtsort haben. Zum Vergleich: Die NBA zählt 135 Spieler ohne US-Pass (von insgesamt 525), die NHL gar über 400 von ca. 750, bei jeweils deutlich kleineren Kadern.

“Seitdem ich mich zurückerinnere, war Bernhard Raimann einfach einer von denen, die immer sehr zielstrebig und auch sehr diszipliniert waren. Er war auch einer der wenigen, die das zwar selten ausgesprochen haben, aber wo man gemerkt hat, der hat höhere Ziele als in Österreich oder Europa Football zu spielen”, sagt Bernhard Seikovits im VN-Gespräch. Der ehemalige Teamkollege von Raimann bei den Vikings hatte sich ebenfalls den Weg in die finanziell potenteste Sportentität des Planeten geebnet. Seikovits tat dies über das “International Player Pathway Program” der NFL, ein Ausbildungsprogramm, wo mittels weltweit durchgeführten Sichtungscamps vielversprechende Athleten gesucht und sodann zentral ausgebildet werden. Seikovits verbrachte bis zu seiner Entlassung im Mai insgesamt vier Jahre bei den Arizona Cardinals. Das allerdings ohne jemals auch nur einen Spielzug – ein sogenannter Snap – in der Regular Season absolviert zu haben.

Raimann hält in dieser Kategorie bereits bei 3370 Karriere-Snaps. In der Offensive hat er beim heurigen Überraschungsteam der Colts in der laufenden Saison alle 577 Spielzüge absolviert. Das Kuriose dabei: Jene Position, auf der Raimann als Profi spielt, ist nicht jene, die er erlernt hat. Bei den Vikings war er Wide Receiver, am College erst Tight End, bevor er dann zum Left Tackle umgeschult wurde.
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Thomas Tippold, Offensive-Line-Coach des europäischen Top-Clubs Vienna Vikings, analysiert Raimanns Stärken für die VN treffend: “Es ist eindeutig seine konstant starke Technik, seine wahnsinnig gute Athletik, seine Arbeitseinstellung und man muss sagen, er hat sich auch einfach jetzt in den letzten zwei, drei Saisonen extrem stark körperlich entwickelt.”
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Die Summe dieser Fähigkeiten und Entwicklungen hat die Colts im Juli dieses Jahres dazu veranlasst, Raimann – noch vor dem offiziellen Ende seines NFL-Einstiegsvertrags – mit 100 Millionen Dollar an Salär für vier weitere Jahre an die Franchise zu binden.
Aktuell sind die Colts in ihrer Division die Mannschaft mit der besten Bilanz, womit eine Playoff-Teilnahme äußerst wahrscheinlich scheint. Sollte Raimann so weiterspielen wie bisher, wird spätestens dann ein noch größerer Anteil der Bevölkerung den 100-Millionen-Dollar-Mann am Radar haben. Am Sonntag ist er in Berlin im Einsatz, wenn seine Colts auf die Atlanta Falcons treffen.
Martin Pfanner ist selbstständiger Journalist, TV-Kommentator und Sendungsproduzent. Er arbeitet unter anderem für das Streaming-Portal DAZN. American Football und Eishockey sind seine großen Passionen.