Vom Handel zur Industrie: Die Spinnerei Ganahl als Motor des Wandels

Heimat / 12.11.2025 • 09:37 Uhr
Walzenmühle Wegele, später Teil des Ganahl-Betriebsareals um 1890. Foto: Feldkircher Stadtarchiv
Walzenmühle Wegele, später Teil des Ganahl-Betriebsareals um 1890. Foto: Feldkircher Stadtarchiv

Aus einem kleinen Handelsgeschäft wuchs ein Industrieimperium.

Feldkirch Als 1833 in der Feldkircher Au die erste Baumwollspinnerei und Weberei entstand, legte Johann Josef Ganahl (Bürgermeister von Feldkirch von 1826 bis 1829) den Grundstein für ein Unternehmen, das die Industrialisierung der Region prägen sollte. Johann Josef Ganahl war zunächst mit Susanna Keßler aus Feldkirch verheiratet, die bei der Geburt ihres ersten Kindes starb. Seine zweite Frau war die Tochter des Apothekers Clessin. Aus dieser Ehe gingen 14 Kinder hervor. Ursprünglich war Ganahl Kaufmann: 1797 hatte der aus dem Montafon zugewanderte Händler in der Marktstraße ein Geschäft für “Baumwollwaren, Specerey und Farbwaren” eröffnet. Doch der Handel allein genügte ihm nicht – er wollte produzieren. Zunächst verweigerte Feldkirch die Genehmigung zum Bau einer Spinnerei, weshalb er sich in Bludenz an der Spinnerei Brunnental beteiligte. Nach deren Brand 1832 wagte Ganahl einen zweiten Versuch in Feldkirch – diesmal erfolgreich. An der Ill entstand ein vierstöckiger Fabrikbau, ein Musterbeispiel frühindustrieller Architektur. Nebenbei führte Ganahl in Altenstadt eine kleine Bandweberei.

Spinnerei Ganahl, heute Wohn- und Gewerbepark an der Ill 2013. Foto: Böhringer
Spinnerei Ganahl, heute Wohn- und Gewerbepark an der Ill, 2013. Böhringer

Erste mechanische Weberei der Monarchie

1834 stattete er seine Spinnerei mit 76 mechanischen Webstühlen aus – die erste große mechanische Weberei Österreichs. Ein Jahr später gründete er in Frastanz eine zweite Fabrik, wohin die Webstühle bald verlegt wurden. Als die Feldkircher Spinnerei 1885 einem Brand zum Opfer fiel, wurde sie noch im selben Jahr größer und moderner wiederaufgebaut. Das neue, 18 Fensterachsen zählende Gebäude mit Flachdach prägt bis heute das Stadtbild. 1906 erhielt es durch den vom Stuttgarter Architekten Philipp Jakob Manz entworfenen Wasserturm einen markanten Akzent. Zwischen 1906 und 1910 wurde die Anlage elektrifiziert, um 1900 arbeiteten hier rund hundert Personen. In den 1920er-Jahren kamen Kanzleiräume hinzu, in den 1960ern ein Verwaltungsanbau. Auf dem Areal befanden sich zahlreiche Nebengebäude, darunter das frühere Lagerhaus, einst Kunstmühle von 1851, das Ganahl erwarb und umfunktionierte. Es wich 1991 einer Wohnanlage.

Villa Ganahl Bahnhofstrasse 2013. Foto: Böhringer
Villa Ganahl Bahnhofstraße 2013.

Eröffnung Ganahl-Areal

Die Familie Ganahl war gesellschaftlich eng mit Feldkirch verbunden, wirtschaftlich aber auf Expansion bedacht. Frastanz wurde zum Schwerpunkt, doch auch in Feldkirch blieb Ganahl aktiv: Mitte der 1930er-Jahre übernahm man die Firma Furtenbach & Cie in Tisis. 1986 traf die Textilkrise auch Ganahl – die Spinnerei musste schließen. Für das Gelände entstand eine Verwertungsgesellschaft, die ein neues Nutzungskonzept entwickelte. 1994 wurde der Wirtschafts- und Wohnpark “Ganahl-Areal” eröffnet. Ganahl zeigte früh soziales Verantwortungsbewusstsein. 1933 besaß das Unternehmen 19 Wohnhäuser mit 95 Wohnungen für Bedienstete, meist adaptierte Altbauten. Die Unternehmerfamilie wohnte in Villen entlang der Bahnhofstraße. Zu den markanten Bauten zählen der Edelsitz Feldegg, 1861 von Carl Ganahl zur Villa umgebaut, die Villa Claudia von 1884 und die Villa Menti.

Beamtenwohnhäuser Schillerstrasse 2013. Foto: Böhringer
Beamtenwohnhäuser Schillerstraße 2013.

Polentavilla

Eigens errichtete Angestelltenhäuser in der Schillerstraße entstanden zwischen 1923 und 1925. Das Arbeiterwohnhaus am Leonhardplatz, von Getzner gebaut und nach einem Brand übernommen, hieß im Volksmund “Polentavilla” – in Anlehnung an seine trentinischen Bewohner. Einziger gezielter sozialer Wohnbau war das Mädchenheim oberhalb der Bundesstraße. 1911 nach Plänen von Seraphin Pümpel errichtet, bot es Schlafsäle für acht bis neun Arbeiterinnen. Im Ersten Weltkrieg diente es als Ausweichquartier des Gymnasiums, später als Werksküche und dann als Wohnhaus. MEC

Arbeiterwohnhaus Getzner Ganahl 2013. Foto: Böhringer
Arbeiterwohnhaus Getzner Ganahl 2013.
Ehemaliges Mädchenheim in der Burggasse, 2013. Foto: Böhringer
Ehemaliges Mädchenheim in der Burggasse, 2013.