Absturz im Klimaranking: “Unser großes Sorgenkind Verkehr wird weiter gehätschelt”

Politik / 21.11.2025 • 10:41 Uhr
Absturz im Klimaranking: "Unser großes Sorgenkind Verkehr wird weiter gehätschelt"
Wer stieg auf, wer stieg ab im Klimaranking? Österreich hat laut aktueller Analyse dringend klimapolitischen Nachholbedarf. Ein wichtiger Hebel liegt beim Verkehr.Roland Paulitsch

Österreich ist im aktuellen Klimaschutz-Index auf Platz 35 abgerutscht.

Wien Der neue Klimaschutz-Index kommt traditionell zur Klimakonferenz heraus, die aktuell im brasilianischen Belém tagt. Er zeigt ein global gemischtes Bild, für Österreich jedoch einen deutlichen Rückschritt: Das Land fällt von Platz 23 auf Platz 35 und erhält die Note “schlecht”. Dänemark bleibt bestplatziertes Land auf Rang vier, während die ersten drei Plätze traditionell leer bleiben, weil kein Staat als vollständig vorbildlich gilt. USA, Iran und Saudi-Arabien bilden das Schlusslicht. Die EU fällt als Einheit auf Platz 20 zurück. Österreichs Abstieg wird vor allem mit schwachen Ergebnissen bei Treibhausgasemissionen, Klimapolitik und einem sehr hohen Energieverbrauch erklärt, auch wenn der Anteil erneuerbarer Energien positiv bewertet wird.

Klimaminister Norbert Totschnig weist die Kritik zurück und bezeichnet den Index als “im Wesentlichen eine politische Bewertung von europäischen NGOs”. Zudem betont er, Österreich und Europa seien auf einem sehr guten Weg, sofern der Umstieg auf erneuerbare Energien mit wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit vereinbar bleibe. Herausgegeben wird das Klimaranking von New Climate Institute, Climate Action Network und Germanwatch, unter Mitarbeit von 450 Expertinnen und Experten. Bewertet werden 63 Staaten und die EU, die zusammen für 90 Prozent der Emissionen verantwortlich sind. Ein großer Teil der Wertung basiert auf quantitativen Indikatoren wie historischen und aktuellen Pro-Kopf-Emissionen, Energieverbrauch pro Kopf und Ausbau erneuerbarer Energien; die Klimapolitik fließt ebenfalls ein. Ein Teil der Einschätzung beruht auf subjektiven Einschätzungen. Für Klima- und Energieexperte Daniel Huppmann, Co-Vorsitzender des zweiten Klimasachstandsberichts für Österreich und Forscher am IIASA, ist die Bewertung nachvollziehbar und stichhaltig.

Absturz im Klimaranking: "Unser großes Sorgenkind Verkehr wird weiter gehätschelt"
Daniel Huppmann ist Klima- und Energieexperte. Er forscht am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA). APA

Signale im Mobilitätssektor

Huppmann verweist auf Rückschritte der österreichischen Klimapolitik im vergangenen halben Jahr: “Der Pendlereuro, also eine klimaschädliche Subvention, wurde erhöht und Förderungen gekürzt. Am meisten irritieren mich die Signale im Mobilitätssektor. Wir wissen, dass ein Großteil unserer Emissionen aus dem Verkehr kommt, dass wir beim Umstieg auf Elektromobilität nicht gut unterwegs sind. Hier wird mit Lobautunnel oder dem Ausbau der A9 südlich von Graz gezeigt: Wir wollen mehr Autobahnen bauen. Die ÖBB-Projekte und die U-Bahn in Wien werden verschoben. Unser großes Sorgenkind Verkehr wird weiter gehätschelt und Alternativen auf die lange Bank geschoben.”

Auch das neuerliche Bekenntnis zur S 18 falle ins Gewicht. Selbst wenn der Bau erst in Jahrzehnten beginnen könnte. Die Signale fördern laut Huppmann massive Zersiedelung und erschweren langfristig die Verkehrswende: “Die Leute orientieren sich daran.”

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Zehn Milliarden pro Jahr

Auch sozialpolitisch sieht Huppmann Verschiebungen: Mit der Abschaffung des Klimabonus und der weiter bestehenden CO₂-Bepreisung hätten “diejenigen, die viel pendeln, und diejenigen, die mit Gas heizen” verloren, wobei “nur eine dieser Gruppen kompensiert wurde”. Laut Budgetdienst begünstigt die Erhöhung des Pendlereuros eher Besserverdienende. Beim Pro-Kopf-Verbrauch schneidet Österreich ebenfalls schlecht ab. “Es ist in Österreich vielen Menschen noch immer nicht bewusst, dass etwa 60 Prozent unseres Energiebedarfs fossil importiert wird. Das sind circa zehn Milliarden Euro, die wir pro Jahr dafür bezahlen. Dieses Geld fehlt uns für die Transformation. Das kommt zu den sechs Milliarden Euro klimaschädlichen Subventionen.”

Hier könnte es Bewegung geben. Im Finanzministerium arbeitet eine neue Arbeitsgruppe an der Analyse kontraproduktiver Anreize und Subventionen. Bis Frühjahr sollen Vorschläge vorliegen, wie Österreich wieder auf einen konsistenteren Klimapfad zurückgeführt werden kann.

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