Organtransplantationen in Vorarlberg: Wenn Tote Leben retten

Gesund / 11.07.2021 • 06:00 Uhr
Organtransplantationen in Vorarlberg: Wenn Tote Leben retten
Oberarzt Wolfgang List ist Transplantationsbeauftragter im LKH Feldkirch. KHBG/MATHIS

Mehr Organspenden in Vorarlberg im vergangenen Jahr.

Feldkirch Vergangenes Jahr ist am Landeskrankenhaus Feldkirch erstmals damit begonnen worden, Spenderorgane auch nach dem Tod durch Herzstillstand (DCD = Donation after Cardiac Death) routinemäßig zu entnehmen. Ein bedeutender Schritt in einem äußerst sensiblen Bereich. Jahrelange Vorbereitungen und interdisziplinäre Schulungen des medizinischen und pflegerischen Personals sind ihm vorausgegangen. Bislang war in Vorarlberg fast ausschließlich die Organentnahme nach Hirntod (DBD = Donation after Brain Death) üblich. Die zusätzliche Möglichkeit der Organspende nach Herztod hat sich weltweit bereits bewährt.

2020 haben 13 Spender in Vorarlberg nach ihrem Tod Leben gerettet. Ihre Organe konnten erfolgreich transplantiert werden, teils haben sie gleich mehreren Patienten geholfen. Konkret waren es sieben DBD-Spender und erstmals sechs DCD-Spender. Damit stammen 40 Prozent aller österreichischen Organspender, die nach einem Herzstillstand verstorben sind, aus Vorarlberg. Durchschnittlich zählt Vorarlberg pro Jahr fünf bis zehn Organspender. Den Überblick darüber hat Wolfgang List, bereichsleitender Oberarzt der Intensivstation am LKH Feldkirch und seit acht Jahren lokaler Transplantationsbeauftragter. Als solcher ist er in ein europaweit agierendes Netzwerk eingebunden, der „Eurotransplant International Foundation“ mit Sitz in den Niederlanden. Laut dem unlängst veröffentlichten Transplant-Jahresbericht sind im vergangenen Jahr in Österreich 672 Organtransplantationen durchgeführt worden, 620 davon mit Organen Verstorbener. Vorarlberg ist das einzige Bundesland, in dem der Gesamt-Spenderschnitt pro einer Million Einwohner auf über 30 erhöht werden konnte. Diesen Schnitt hat sich Österreich insgesamt zum Ziel gesetzt.

Widerspruchsrecht

„In Vorarlberg werden die Organe für Spenden entnommen, aber nicht in den Körper der Empfänger transplantiert“, erklärt Wolfgang List. „Jene Vorarlberger, die aufgrund schwerwiegender Erkrankungen auf ein Spenderorgan warten, werden aber bei uns vor- und nachbetreut.“ Das nächstgelegene Transplantationszentrum befindet sich in der Universitätsklinik Innsbruck. In Österreich gilt, anders als etwa in Deutschland und in der Schweiz, die sogenannte Widerspruchsregelung. Das heißt, wer nicht möchte, dass seine Organe nach dem Tod gespendet werden, muss das zu Lebzeiten aktiv ablehnen, entweder schriftlich oder mündlich vor Zeugen. Wer ganz sichergehen will, lässt sich in das Widerspruchsregister eintragen. Dieses aktive Widersprechen setzt voraus, dass man sich mit dem Fall der Fälle ernsthaft befasst, darüber nachdenkt und spricht. „In den Familien wird leider zu wenig oder gar nicht darüber gesprochen“, bedauert Wolfgang List: „Wenn nicht gerade zufällig im engeren Umfeld ein Dialysepatient auf eine Organspende wartet, ist das Thema kaum präsent.“ Im Ernstfall ist es für Angehörige dann oft schwierig, genau zu wissen, was der oder die Verstorbene für sich selbst gewollt hätte, denn ausschlaggebend ist in Österreich der Wille des Patienten. „Die Organspende geschieht aber in jedem Fall in Absprache mit den nahen Angehörigen“, betont List. Für die Familien ist es allerdings eine große Erleichterung, wenn die letztendliche Entscheidung bereits zu Lebzeiten getroffen und hinterlegt worden ist.

Mehr Zustimmung als Ablehnung

Eine Organspende kann Leben retten. Daher sind die Ärzte verpflichtet, auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Dieser Hinweis kommt allerdings in einer Situation, die für alle Beteiligten schon ein Ausnahmezustand ist, weiß der Intensivmediziner: „Die Angehörigen müssen erst einmal verstehen, dass ihr geliebter Mensch stirbt.“ Der Prozess hin zu einer Organspende ist sehr zeitintensiv und erfordert viel Einfühlungsvermögen vonseiten des medizinischen Personals: „Es ist immer wieder eine Herausforderung, denn wir nehmen uns die Zeit, um hinzuhören, Ängste und Sorgen der Angehörigen zu verstehen, und wir nehmen uns die Zeit, um zu erklären.“ Die Rückmeldungen sind gut, von zwei Dritteln kommt ein Ja. Wolfgang List hat nach einer Organspende auch immer wieder Kontakt zu den betroffenen Familien: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass so gut wie alle schlussendlich froh darüber sind, diesen Weg gegangen zu sein. Sie erleben nach dem ganzen Dunkel einen hellen, positiven Aspekt.“