Wo Theater den Nerv der Zeit trifft

Lukas Spisser im VN-Interview über seine Rolle in Ibsens “Ein Volksfeind”.
Bregenz Der Südtiroler Lukas Spisser erhielt seine Schauspielausbildung am Max Reinhardt Seminar in Wien, das er 2010 abschloss. In seiner Studienzeit gastierte er unter anderem am Thalia Theater in Hamburg, am Théâtre National de Strasbourg und am Nationaltheater Warschau. Bis 2012 war er festes Ensemblemitglied am Meininger Theater. Seitdem lebt er als freier Schauspieler in Wien mit Gastengagements am Vorarlberger Landestheater, den Vereinigten Bühnen Bozen und am Theater St. Gallen. In der Spielzeit 2017/18 spielt er den Bürgermeister Stockmann in Ibsens „Volksfeind“ am Vorarlberger Landestheater. Mit den VN sprach der 32-Jährige über seine Rolle und die Botschaft des Stücks.
Sie sind freier Schauspieler mit Gastengagements an verschiedenen Bühnen. Was hat Sie ans Vorarlberger Landestheater gebracht?
Spisser Ich war in der Spielzeit 2012/13 das erste Mal am Vorarlberger Landestheater. Das war mein erstes Jahr, in dem ich als freier Schauspieler unterwegs war. Nach einigen Festengagements an verschiedenen Bühnen hat mich Alexander Kubelka angefragt. Das war ein lustiger Zufall, weil ich parallel mit Regisseur Matthias Rippert gearbeitet habe, der „Ein Volksfeind“ inszeniert. Da waren wir uns schnell einig. Nach vier Jahren freue ich mich, wieder am Landestheater in Bregenz spielen zu dürfen.
Welche Botschaft vermittelt das Stück?
Spisser Es geht um einen ganz bestimmten Konflikt und zwar um die Frage: Was sind uns die Natur, die Umwelt und die Gesundheit eigentlich wert? Wie viele Regenwälder holzen wir noch ab und wie viele Fische fischen wir noch, um unseren finanziellen Wohlstand zu sichern? Wie weit gehen wir und wo setzen wir die Grenzen? Dieses Aufeinandertreffen zweier Ideologien findet sich auch in dem Stück wieder: Wissenschaftler gegen Politiker. Es handelt von einem Kurbad, in dem festgestellt wird, dass das Wasser vergiftet ist. Der Bürgermeister will, dass der Badebetrieb aus finanziellen Gründen weiterläuft. Die Ärztin hingegen will den Betrieb sofort schließen, zum Wohl der Menschen.
Henrik Ibsen stellt sich die Frage: Wer hat recht? Ein Thema, das wohl aktueller ist denn je.
Spisser Genau, es ist ungeheuer aktuell. Wir stellen uns die Frage, was uns wichtiger ist: das Geld oder die Umwelt? Das sind Themen, die die Schlagzeilen beherrschen. Irgendwann wird die Menschheit wohl auf die Nase fallen und ihre Meinung ändern. Wir werden sehen, ob es bis dahin hoffentlich nicht zu spät ist.
Ist es die Aufgabe des Theaters, auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen?
Spisser Auch, aber das ist meiner Ansicht nach nicht seine einzige Aufgabe. Theater kann auch einfach mal Unterhaltung sein, ohne mit erhobenem Zeigefinger auf eine gewisse Problematik aufmerksam zu machen.
Was ist das Besondere an Matthias Ripperts Inszenierung?
Spisser Ich freue mich, dass ich schon zum zweiten Mal mit ihm arbeiten darf. Es macht sehr viel Spaß. Trotz der heiklen Thematik kommt der Humor in diesem Stück nicht zu kurz. Es wird bestimmt viel gelacht. Szenen werden zwar ins Absurde getrieben, aber ohne sich darüber lächerlich zu machen. Das ist sicherlich eine Gratwanderung und zugleich eine Herausforderung, die er meiner Meinung nach wunderbar meistert.
Sie spielen den Bürgermeister Peter Stockmann, für den der finanzielle Wohlstand vordergründig ist. Was ist die Herausforderung in der Umsetzung Ihrer Rolle?
Spisser Wahrscheinlich die Spielart. Es gibt Szenen, die recht lang sind. Diese gemeinsam mit dem Regisseur so zu gestalten, dass sie nicht langweilig sind, ist wahrscheinlich die größte Herausforderung in diesem Stück. Ich kenne das von mir selbst, auch ich schlafe manchmal im Theater ein (lacht). Bei längeren Szenen sollte man das Beste herausholen, damit das Publikum am Geschehen dranbleibt.
Wie bewerten Sie die Theaterszene generell?
Spisser Das Theater hat leider immer noch einen verstaubten Ruf und Jugendliche lassen sich nicht leicht dafür begeistern. Das finde ich schade. Vielleicht herrscht ein gewisser Respekt vor komplizierten Sprachen oder Handlungen. Dazu kommt die mediale Welt, mit der sich Jugendliche oft lieber beschäftigen.
Warum sollte man sich Ihrer Meinung nach das Stück ansehen?
Spisser „Ein Volksfeind“ bietet eine gute Mischung aus Aktualität und Unterhaltungswert und regt darüber hinaus sicher zum Nachdenken an.
Zur Person
Lukas Spisser
Schauspieler
Geboren 1985, Südtirol
Ausbildung Schauspielausbildung am Max Reinhardt Seminar Wien, bis 2012 Ensemblemitglied am Staatstheater Meiningen
Laufbahn Theaterarbeiten an den Landestheatern St. Pölten, Linz, Bozen, St. Gallen und Bregenz
Die Premiere von „Ein Volksfeind“ findet am Samstag, 13. Jänner, 19.30 Uhr, im Vorarlberger Landestheater in Bregenz statt.