Hausbau als Auslaufmodell

Bürgerrat stellt fest: Der Traum vom Einfamilienhaus für jeden ist weder realistisch noch zukunftsfähig.
Bregenz Viele Wege führen zur Demokratie: Volksabstimmung, Volksbefragung, Volksbegehren; aber auch Bürgerbeteiligung und Jugendbeirat sind Instrumente der direkten Demokratie. Die Landesverfassung sieht außerdem einen Bürgerbeirat vor, der mit 1000 Unterschriften verlangt werden kann. Im vergangenen Sommer nutzte eine Initiative erstmals dieses Instrument. Sie übergab dem Land über 1200 Unterschriften, um einen Bürgerrat zum Thema „Grund und Boden“ einzuberufen. Am 22. September startete der Rat. Die Ergebnisse liegen längst vor und wurden schon in der Regierungssitzung behandelt. Bei den Verhandlungen zum neuen Raumplanungsgesetz spielen sie, obwohl die Bürgerräte klare Forderungen formuliert haben, jedoch noch keine Rolle, wie die VN erfahren haben.
Zum Beispiel sollen Spekulationen mit Wohnraum stark eingeschränkt werden, auch mittels neuer Steuern. So steht es im Abschlussbericht des Bürgerrats, der den VN vorliegt. Zudem sollen leer stehende Wohnungen vermehrt genutzt werden, was mit Förderungen von Umbaumaßnahmen und mehr Rechten für Vermieter erreicht werden soll. Das Gremium hat sich auch Grundsätzliches überlegt. Im Bericht steht: „Den Bürgerräten ist wichtig, dass das Gemeinwohl vor Einzelinteressen gestellt wird.“ Und weiter: „Es bestehen viele gesetzliche Regelungen, die aber trotzdem noch viele Schlupflöcher bieten. Außerdem benötigt es neue Gesetze und die Schaffung neuer Abgaben- und Anreizmodelle.“
Landesgrünzone erhalten
Auch dem Flächenverbrauch widmeten sich die Räte. Verkehrsflächen sollen etwa auf das Notwendige beschränkt werden. „Die Fläche innerhalb der Landesgrünzone soll bestehen bleiben, Ausnahmen sollen sich auf ein Minimum beschränken.“ Gemeinden müssen Grund kaufen können, um diesen zu verpachten, auch an Private.
Grundsätzlich sehen die Beteiligten ein Missverhältnis im Umgang, wie es im Bericht heißt: „Denn viele in der Gruppe haben das Gefühl, dass Unternehmen gegenüber normalen Bürgern aufgrund guter Kontakte oft bevorzugt werden. Wegen Bodenspekulation, Hortung von Grundstücken und damit einhergehenden steigenden Preisen ist es für viele Bürger kaum mehr möglich, Bauland zu erwerben.“ Der Traum vom Einfamilienhaus für jeden sei weder realistisch noch zukunftsfähig. Auch die Idee der Infrastrukturabgabe wird in dieser Diskussion betont.
Beim anschließenden Bürgercafé wurden die Forderungen bekräftigt. Zudem entstand der Wunsch nach einem interkommunalen Steuerausgleich, damit sich nicht alle Kommunen um die großen Kommunalsteuerbringer matchen. Ebenso heißt es im Bericht: „Die Doppelfunktion von ein und demselben Landesrat für Wirtschaft und Raumplanung wurde mehrmals kritisiert und im Hinblick auf Interessenskonflikte hinterfragt.“
600 Personen wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und eingeladen. 29 meldeten sich an, 27 sind auch wirklich erschienen. Von den zehn Frauen und 17 Männern war die jüngste Teilnehmerin 22, der älteste Teilnehmer 72 Jahre alt. Am 22. und 23. September debattierten die Bürger, am 3. Oktober wurden die Ergebnisse in einem Bürgercafé diskutiert. Am 11. November behandelte eine Resonanzgruppe mit Vertretern des Landes und Institutionen die Punkte. Zusammengefasst kamen die Experten auf folgenden Nenner: „Vorarlbergs Identität als Land der Hüsle-Bauer muss infrage gestellt werden.“ Das ist mittlerweile fast vier Monate her.
Vorschläge des Bürgerrates zum Thema “Grund und Boden”
Spekulationen einschränken. Besteuerung je nach Nutzung der Wohnungen.
Leerstand vermehrt nutzen. Dazu den Umbau leer stehender Wohnungen fördern. Vermietern mehr Rechtssicherheit schaffen. Alternative Wohnmodelle unterstützen. Abschaffung der Finanzamt-Vergebührung von Mietverträgen.
Superädifikat ausbauen. Grundstücke sollen vermehrt an Privatpersonen verpachtet werden.
Umwidmungen als letzte Option, freie Flächen sollen Gemeindebesitz sein. Umwidmungen am Gemeinwohl orientieren, dafür soll ein Leitbild erstellt werden. Einführung einer Abgabe für Flächen, die nicht widmungskonform genutzt werden.
Verkehrsflächen auf das Notwendigste beschränken.
Landesgrünzone soll bestehen bleiben. Ausnahmen auf ein Minimum beschränken.
Geisterferiensiedlungen vermeiden. Auch bei Ferien- und Zweitwohnsitzen verdichten. Sanfter Tourismus soll Vorrang haben.
Gewerbe und Handel soll ebenfalls verdichtet werden. Pacht statt Eigentum für Gewerbetreibende. Überregionale Planung und Innenstädte beleben.
Gemeinden sollen Grund kaufen, um ihn zu verpachten.
Verkehrs- und Umweltentlastung sowie artgerechte Tierhaltung sind wesentlich für den adäquaten Umgang mit landwirtschaftlichen Flächen. Versorgung mit regionalen und hochqualitativen Lebensmitteln soll sichergestellt werden.