Ikea-Millionen für Schuldenabbau

Vorarlberg / 23.03.2018 • 22:00 Uhr
Ikea-Millionen für Schuldenabbau

370 Euro pro Quadratmeter: Was im Ikea-Vertrag tatsächlich steht.

Lustenau Er ist 15 Seiten stark und regelt ein höchst komplexes Grundstücksgeschäft um eine der wenigen großen Flächen mit EKZ-Widmung im Land. Den VN liegt ein Entwurf vom 19. Oktober 2016 des später so unterzeichneten Kaufvertrags zwischen der Marktgemeinde Lustenau und dem Möbelriesen Ikea vor. Als Kaufpreis haben sich Gemeinde und Ikea demnach auf 370 Euro pro Quadratmeter geeinigt. Der Verkauf umfasst zwei angrenzende Liegenschaften mit 7167 bzw. 17.201 Quadratmetern. Geht das Geschäft über die Bühne, darf sich Lustenau über etwas mehr als 9 Millionen Euro freuen. Allerdings gibt es eine Vielzahl an Hürden, die im Vertrag als „aufschiebende Bedingungen“ aufgelistet sind. Sowohl die Gemeindevertretung über eine Widmungsklausel als auch der Möbelkonzern können jederzeit aussteigen. Denn auch eine notwendige Genehmigung des Vertrags durch nationale und internationale Gremien Ikeas zu allen aufschiebenden Bedingungen ist ausdrücklich festgehalten.

Endfälliger Frankenkredit

Finanziell dürfte das Grundstück trotz Millioneneinnahmen kein sonderlich gutes Geschäft für die Marktgemeinde sein. Das liegt, wie VN-Recherchen ergeben haben, an der Vorgeschichte. Lustenau hatte den Boden bereits einmal an einen Möbelkonzern veräußert und später zurückgekauft. Finanziert wurde der Kauf über einen endfälligen Frankenkredit. Ein, wie mittlerweile klar ist, riskantes und teures Unterfangen. Das Ikea-Geld könnte Lustenau dennoch gut brauchen. Bürgermeister Kurt Fischer (54, ÖVP) spricht von der Möglichkeit, den Schuldenstand deutlich zu reduzieren.

Das Geld hätte aber auch von anderen Interessenten am Grundstück kommen können, ist Projektgegner Daniel Zadra (33, Grüne) überzeugt. „Es hat niemals eine ernsthafte Alternativprüfung zu Ikea gegeben“, sagt er. Ein vertrauliches Papier, das den VN auszugsweise ebenfalls vorliegt, soll die Einschätzung untermauern. In einem „letter of intend“ – einer gemeinsamen Absichtserklärung – hatte die Gemeinde Lustenau Ikea bereits Mitte 2016 Exklusivität zugesichert. Man verpflichte sich während der Exklusivitätsphase, „nicht mit anderen Interessenten den Kauf der Liegenschaft zu verhandeln oder gar abzuschließen“, heißt es wörtlich. „Es hieß immer nur: Ikea Ja oder Nein, die Zusatzfrage nach Alternativen wurde nie gestellt“, ärgert sich Zadra. Bürgermeister Kurt Fischer stellt indes klar, dass die Gemeinde selbst größtes Interesse an Exklusivität hatte. „Wir wollten, dass Ikea ausschließlich mit uns verhandelt.“ Fischer stellt zudem klar, dass es auch keinen anderen Interessenten für das Grundstück gegeben habe.

Beschluss der Gemeindevertretung

Das dürfte auf Handelsunternehmen zutreffen, für die die Flächen reserviert sind. Fischer verweist auf einen einstimmigen Beschluss der Gemeindevertretung, der für ihn bindend ist. Er spricht vom ausdrücklichen Willen des Gremiums. Der Landesraumplan sei entsprechend optimiert worden, die Verkaufsflächen um die Hälfte reduziert. Zadra wiederum sieht in der Widmung die Möglichkeit für Handel, aber keineswegs den Zwang.

Gab es laut Fischer während der Verhandlungen mit Ikea noch keine Interessenten für eine Ansiedlung, so scheint sich mittlerweile das Blatt gewendet zu haben. Darauf lässt ein internes Papier der Marktgemeinde schließen, das der Redaktion zugespielt wurde. Ein Dutzend heimischer Firmen, vom Kleinbetrieb bis zum Industrieriesen, sind darin aufgelistet. Vermerkt ist der Flächenbedarf, der sich zwischen 2000 und 60.000 Quadratmetern bewegt. Zu den Unternehmen mit Ansiedlungsplänen in Lustenau zählen laut Unterlagen Betriebe wie Meusburger, FHE Franke, Viterma oder die Spedition Braun.

Fischer bestätigt ein großes Interesse von Firmen, dieses betreffe aber nicht das Ikea-Grundstück, sondern das in Planung befindliche Betriebsgebiet Heitere. Daniel Zadra sieht darin indes durchaus Alternativen. Es werde suggeriert, dass ein Ikea-Aus der wirtschaftliche Niedergang Lustenaus sei. Das sei aber offensichtlich nicht der Fall. Ein Rückschlag für den Handels­standort Lustenau aber wohl schon. Das wäre es jedenfalls aus Sicht des Bürgermeisters, der einen weiteren Kaufkraftverlust befürchtet.

„Die Gemeinde hat die Chance vertan, vorab die beste Lösung für Lustenau zu prüfen.“

„Lustenau soll im Handel auch in Zukunft eine Rolle spielen.“

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