Tradition radikal infrage gestellt

Extra / 06.11.2014 • 19:13 Uhr
Veit Dengler leitet die Geschicke der NZZ-Mediengruppe und führt sie in das neue Zeitalter.
Veit Dengler leitet die Geschicke der NZZ-Mediengruppe und führt sie in das neue Zeitalter.

Veit Dengler über die Rolle der Medien und das österreichische Versuchskaninchen.

Bregenz. Man spricht gerne von Medien als der „Vierten Gewalt“. Sie haben zwar nicht den Einfluss wie Exekutive, Legislative und Judikative. Aber: Sie können durch ihre Berichterstattung und öffentliche Diskussion das politische Geschehen durchaus beeinflussen.

Das ist geschichtlich bedingt. Während die ersten Bücher nur bestimmten Lesern vorbehalten waren, entstand durch das gedruckte Flugblatt eine Öffentlichkeit der lesenden Bürger. Als die ersten Tageszeitungen erschienen, waren diese zwar zahm, aber doch problematisch für den jeweiligen Machthaber eines Landes. Heute, wie Veit Dengler in seinem Vortrag ausführte, wird diese „Vierte Gewalt“ aber immer mehr kontrolliert. Und zwar von der neuen Öffentlichkeit.

Twitter & Co.

Eine Öffentlichkeit die nicht nur liest, sondern auch kommentiert und somit kontrolliert. Heute kann sich jeder zu Wort melden. Dank Handy und Internet, Twitter und Facebook lassen sich in der heutigen Zeit Staatsgrenzen oder vielmehr Kontinente überwinden. „Diese neue Öffentlichkeit koppelt sich von den existierenden Machtstrukturen ab. Mit ihr wurden schon Regierungen gestürzt“, gibt Dengler mit dem Arabischen Frühling ein Beispiel für ihre Macht.

Ein Markt für „Mehr“

Traditionelle Medienhäuser, die sich bislang ausgeruht haben „und gedacht haben, sie sind unersetzlich“, würden nun radikal in Frage gestellt. Auch bei der NZZ, deren CEO Dengler ist, heißt es umdenken. Der Qualitätsjournalismus müsse sich in dieser neuen Öffentlichkeit einen Platz zuweisen. Jedoch sei es nicht einfach, mit Publikationen Geld zu verdienen, räumt er ein. Denn mit Nachrichten an sich könne man kaum etwas verdienen, weil das Internet bereits Nachrichten rund um die Uhr biete. Vielmehr gebe es einen Markt für Bestandsaufnahmen, für Analysen, für Kommentare. Ein neues, ein österreichisches Projekt der NZZ ist nzz.at. Ein digitales Abo-Modell, das zwar auch einen (kostenlosen) Nachrichtenteil bietet, aber seine Existenzberechtigung auch auf zwei weitere Themenbereiche ausdehnt.

Den Themenbereich, wo die bereits erwähnten Bestandsaufnahmen Platz finden, sowie den Clubteil für Interaktionen mit den Lesern. Es sei eines von mehreren Versuchskaninchen, sagt Dengler

Ein Experiment

Denn, wie erfolgreich nzz.at werde, könne man kaum abschätzen. „Wenn Steve Jobs gefragt hätte, ob jemand überhaupt ein iPhone braucht, hätten wohl viele Nein gesagt“, sagt der NZZ-CEO. Es sei ein Experiment und man gehe entspannt an die Sache heran. Ein gewisses unternehmerisches Risiko bleibe und natürlich müsse sich das Portal irgendwann auch einmal rechnen. Noch übe man sich jedoch in Geduld. Jedenfalls ist er davon überzeugt, dass sich ein Bezahlmodell letztlich hauptsächlich für Qualitätsmedien rechnet. Leser zahlen nur für eine „neue Perspektive“.

Und wie definiert ein Medienmanager wie Veit Dengler eigentlich Qualität? Eine Gretchenfrage, sagt er, aber letztlich definiere sich Qualität darüber, ob etwas handwerklich gut gemacht sei, quasi so wie eine (Schweizer) Uhr, und ob es dem Leser einen wirklichen Nutzen bzw. Mehrwert bringe.

Die neue Öffentlichkeit koppelt sich komplett von den existierenden Machtstrukturen ab.

Veit Dengler

Zur Person

Veit Dengler

CEO der NZZ-Mediengruppe

Geboren: 1968 in Graz

Ausbildung: Ausbildungen an Kennedy School of Government, WU Wien

Laufbahn: Time Magazine, Procter & Gamble, McKinsey, Dell, Groupon.