Die einmalige Zeit nach bestandener Matura

Extra / 08.07.2015 • 17:44 Uhr
Klaus Hämmerle, ehemaliger AHS-Lehrer und VN-Bildungsexperte.
Klaus Hämmerle, ehemaliger AHS-Lehrer und VN-Bildungsexperte.

Maturafotos mögen in die Jahre kommen und an Wänden oder in diversen Alben vergilben, doch ihre Magie verlieren sie nie. Wie gerne sieht man sich darauf noch selber. Viel schlanker als heute, das Gesicht jung, im schicken Anzug bwz. noblen Kleid. Widerstandslos lässt man sich dazu hinreißen, die Gefühlswelt von damals wachzuküssen. Liebe Welt, hier bin ich! Reif, dich zu erobern!

Die bestandene Reifeprüfung und die  Tage danach sind unvergessene Symbole für Ausgelassenheit und Lebensfreude. Natürlich auch für Sentimentalität. Denn schließlich geht eine Gemeinschaft auseinander, die oft mehr als eine Zweckgemeinschaft war. Das spürt man spätestens bei den Matura­treffen, die Erinnerungen von besonders hohem Wehmutsgehalt produzieren. Nein, die Matura hat nichts von ihrer Faszination verloren. Sie war, ist und bleibt ein Meilenstein in einem jungen Leben. Ein großes Ziel ist erreicht. Jeder gönnt dem erfolgreichen Prüfling eine ausgiebige Auszeit. „Summer-Splash“ oder eben die gute alte Maturareise sind angesagt. Viele empfinden die Zeit nach der Reifeprüfung im Rückblick als die freieste und und unbeschwerteste, die sie jemals hatten.

Alles zentral

Die Matura als Prüfungsform steht im diametralen Gegensatz zu den durch ihre erfolgreiche Absolvierung freigesetzten Emotionen. Zentrale Aufgabenstellungen statt individuell angepasster, kompromisslos-einheitliche Benotungsschlüssel statt eines Bewertungssystems mit einem gewissen Spielraum. Die Matura ist, wenn man so will, seelenloser und humorloser geworden. Allerdings auch wertvoller insofern, als ein Maturazeugnis in Bregenz so viel wert ist wie eines in Eisenstadt und umgekehrt.

Das Maturaformat musste den Realitäten einer sich rasch wandelnden Zeit Rechnung tragen. Während das Gesetz heuer erstmals allen Gymnasien der Republik zentrale Aufgabenstellungen vorschrieb, wird das  am Ende des neuen Schuljahres auch an den berufsbildenden höheren Schulen so sein. Es werden dann insgesamt 45.000 Schüler in 680 Schulen zentral vorgegebene Aufgabenstellungen erhalten.

Diese Entwicklungen mögen viele Pädagogen, Eltern sowie auch Schüler negativ sehen und dabei durchaus gute Argumente ins Treffen führen. Allerdings: Die Wertigkeit eines Maturadokuments ist bundesweit gegeben, der Willkür eines Lehrers sind Grenzen gesetzt, die Arbeit der Pädagogen wird zu einem hohen Grad einordenbar. Romantisch ist das alles zugegeben nicht. Und: Ob’s dazu noch eine vorwissenschaftliche Arbeit mit einem derart riesigen Aufwand braucht, darf getrost hinterfragt werden.

Ein Reifeprüfungszeugnis bietet heute ein gutes Fundament für später – nicht mehr. Nur  Absolventen von berufsbildenden höheren Schulen sind je nach Fachrichtung bereits jetzt am Arbeitsmarkt eine begehrte Aktie. Das gilt  für andere Maturanten nicht. Für sie ist das Dokument höchstens eine Zwischenstation auf dem Weg in eine attraktive Berufswelt mit entsprechenden Verdienstmöglichkeiten. Speziell für sie muss das Lernen weitergehen, sie müssen sich Spezialwissen- und Kompetenzen aneignen, egal, ob nun in Form eines Studiums oder in Form einer Berufsausbildung.

Innehalten jetzt

Die bestandene Matura erlaubt als erreichtes großes Ziel nur jetzt ein Innehalten – jetzt, wo alles erst frisch vorbei ist,  die Maturamütze noch ohne Staubschicht irgendwo herumliegt und auch der Wecker urlaubt.

Liebe Maturanten: Genießt dieses überragende Gefühl aus vollen Zügen. Das Leben zwingt euch früh genug, euch ihm zu stellen. Aber erst ein bisschen später . . .